Öffentlich Debatte über die Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlandradio
Die 10 Thesen zur Zukunft der öffentlich-rechtlichen Medien lieferte einen starken Impuls zur öffentlichhen Debatte wie es mit ARD, ZDF und Deutschlandradio künftig weitergehen soll. Neben zahlreichen Kommentaren direkt im Anschluss melden sich seither immer wieder Expert*innen mit differnzierten Vorschlägen zu Wort, zuletzt am 1. Mai die Direktorin des Grimme Instituts, Frauke Gerlach, in der Süddeutschen Zeitung.
Sie stellt die berechtigte Frage, welchen öffentlich-rechtlichen Rundfunk die Gesellschaft will. Dass sie ein Interesse an öffentlich-rechtlichen Medien hat, zeigt nicht nur die rege Kommentierung der 10 Thesen. Vielmehr werden die Sender auch nach wie vor als sehr vertrauenswürdig betrachtet – ein hohes Gut in Zeiten von Fake News.
Gerlach stellt zunächst die Ausgangslage dar:
Kritische Nutzerinnen und Nutzer, beitragsmüde Fernsehzuschauer und die Forderung nach der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, für die sich die AfD als populistisches Sprachrohr aufstellt, treffen auf eine politische Entscheidungskultur der Rundfunkkommission der Länder, die für eine so komplexe gesellschaftliche Ausgangslage wie derzeit nicht geeignet erscheint. Gleichzeitig geht es bei der aktuellen Arbeit an einer Strukturreform für ARD, ZDF und Deutschlandradio um nicht weniger als die grundsätzliche Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk im digitalen Zeitalter aussehen und wie er finanziell ausgestattet werden soll.
Sie sieht eine breite gesellschaftliche Debatte als beste Möglichkeit, die Zukunft der ÖRM im Sinne der Gesellschaft nachhaltig sicherzustellen, weil die derzeitigen Strukturen und Prozesse demokratischen Standards kaum standhalten. Zudem fordert Gerlach diesbezüglich eine Neufassung der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages, auch mit Blick auf die Digitalisierung. In der heutigen Fassung orientiert sich die Präambel auf die Perspektive der Anstalten und nicht der Bürger.
Eine Neufassung könnte einen Anstoß zur dringend notwendigen Transparenz und Partizipation an medienpolitischen Entscheidungen liefern:
Es ist von außen kaum nachzuvollziehen, wie die Entscheidungsprozesse verlaufen, wer an Anhörungen der Rundfunkkommission teilnimmt und wer nicht. Intransparent bleibt auch, wer letztlich Stellungnahmen abgeben darf, also am Diskurs überhaupt teilnimmt.
Die Verfahren der Rundfunkkommission der Länder sind zudem, anders als die Gesetzgebungsverfahren in Bundestag und in Länderparlamenten, nur teilweise formal abgesichert. Die Medienpolitik der Länder hat auch kein Entscheidungszentrum und keine entsprechende öffentliche politische Bühne. Sie agiert unter den Bedingungen des Föderalismus und der europäischen Regulierung. Das politische Mehrebenensystem, in dem die Regeln für den Rundfunk entstehen, ist für die Bürgerinnen und Bürger schwer nachvollziehbar und immer wieder erklärungsbedürftig, damit konkrete Entscheidungsprozesse überhaupt verstanden und von einer öffentlichen Diskussion begleitet werden können.
Ein erster kleiner Schritt zu mehr Teilhabe der Öffentlichkeit wäre deshalb die Schaffung einer nachvollziehbaren Informationsplattform mit Diskursmöglichkeiten. Praktische Vorbilder gibt es genug. Eine veröffentlichte Verfahrensordnung wäre wünschenswert. Die Anhörungen der Rundfunkkommission sollten transparent, gesellschaftliche Interessen dort regelmäßig vertreten und Stellungnahmen zugänglich sein. So wären zumindest Standards erfüllt, die bei parlamentarischen Verfahren im Bundestag und in den Länderparlamenten eingehalten werden. Damit könnten Kommunikationsprozesse begonnen und am Ende fester Bestandteil werden. Es geht aber nicht nur um Partizipation, Transparenz und Verfahren.
Eine grundsätzliche gesellschaftliche Debatte könnte mit einer Überarbeitung der Präambel des Rundfunkstaatsvertrages beginnen. Sie wurde seit 1987 nur einmal, im Jahr 1991 nach der Wiedervereinigung, geändert. Rechtlich enthält sie die wesentlichen Programmsätze des Rundfunkstaatsvertrages. Die Präambel atmet gegenwärtig allerdings durch und durch den Geist des analogen Zeitalters. Eine Neufassung dieses Rechtstextes wäre sehr gut geeignet, um eine wirkliche gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im digitalen Zeitalter anzustoßen.“
Ein Forscher*innenkonsortium, an dem auch der Vorstand der Publikumsratsinititaive, Dr. Christine Horz, beteiligt ist, lotet derzeit die Möglichkeit eines European Public Open Space (EPOS) aus. Er könnte, neben einer digitalen öffentlich-rechtlichen Plattform einen solchen öffentlichen Debatten- und Informationsraum schaffen, der für die Beteiligung aller konstruktiven Akteure, auch und vor allem der Bürger, offen wäre.
Wer mitdiskutieren möchte – die re:publica in Berlin (2.-4.5.) widmet sich u.a. diesen Fragen:
https://18.re-publica.com/de/session/orr-offenes-gesprach-unter-freunden
und hier:
https://18.re-publica.com/de/session/offentlich-rechtliche-medien-europeana-wikipedia-epos