Offenlegung der Archive

Durch den verpflichtenden Rundfunkbeitrag finanzieren die Bürger jegliche Beiträge, die durch den ÖRR veröffentlicht werden. Da sollten wir doch auch die Möglichkeit haben immer darauf zugreifen zu können, oder? Dem ist leider nicht so.

Was ist das Problem?

 Wo ARD, ZDF und DLF ihre früher analog ausgestrahlten Beiträge archiviert haben, ist der Öffentlichkeit nicht bekannt; einiges Unliebsame verschwand im „Giftschrank“, aber allgemein gilt, dass die Sendungen der Allgemeinheit nicht zur Verfügung stehen – auch nicht der Wissenschaft, die teils für die Herausgabe zur Kasse gebeten wird. 80 bis 90 % der Internetbeiträge durch den ÖRR werden nach einer gewissen Zeit depubliziert und sind anschließend nicht mehr zugänglich. Seit 2008 verschwinden also auch zunächst öffentlich zugängliche Inhalte in den Mediatheken durch die Depublizierungspflicht, die zwar immer wieder Thema war, jedoch nach wie vor Bestand hat. Je nach Kategorisierung (Bildung, Unterhaltung, …) eines Beitrags wird ihm ein „Verfallsdatum“ zugewiesen. Dazu zählen ebenfalls Beiträge in den Mediatheken, wie zum Beispiel die Tagesschau. Paradoxerweise bleiben sie auf Youtube oft länger erhalten, aber es gibt keine Garantie. Trotzdem werden diese Artikel und Videos natürlich archiviert. Diese Archive der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stehen allerdings nur für Anfragen aus Wissenschaft und Forschung offen. Doch selbst bei diesen Anfragen stößt man häufig auf Probleme, da durch die föderale Struktur dezentrale Archive geführt werden. So kommt es, dass man für eine Anfrage für eine Sendung gleich mehrere Rundfunkanstalten kontaktieren muss.

Was soll sich ändern?

Um zu verhindern, dass Beiträge verschwinden, auf die wir als zahlende Stakeholder eigentlich Zugriff haben sollten, wird eine Offenlegung der Archive gefordert. Dadurch sollen jegliche Veröffentlichungen in einem frei zugänglichen Portal archiviert werden, damit Beiträge oder Sendungen jederzeit verfügbar sind. Dafür müsste die Depublizierungspflicht abgeschafft werden, denn die Möglichkeiten für solch ein umfangreiches Archiv sind heutzutage definitiv gegeben. 

Probleme bei der Umsetzung

In der Theorie und auch in der Praxis scheint die gewünschte Offenlegung also möglich, woran scheitert es dann noch? Um die Depublizierungspflicht endgültig ad acta zu legen braucht es eine einstimmige Mehrheit von allen Bundesländern in einem neuen Medienstaatsvertrag. Die Depublizierungspflicht wurde 2009, aufgrund einer EU-Vorschrift, im neuen Rundfunkstaatsvertrag (heute Medienstaatsvertrag) formuliert und hat seit dem Bestand. Das war eine Reaktion auf die Forderung des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), um einen Wettbewerbsvorteil der öffentlich-rechtlichen Sender gegenüber den privaten Anbietern einzudämmen, da die öffentlich-rechtlichen durch den Rundfunkbeitrag „staatliche Beihilfe“ erhielten. Aus der Sicht der Beitragszahlenden ist das leider nur schwer zu verstehen. Vielleicht sollte man eher über eine Ausgleichsabgabe an die privaten Anbieter nachdenken, anstatt der Öffentlichkeit die selbst finanzierten Inhalte vorzuenthalten.

29. Februar 2024 von Christine Horz
Kategorien: Aktuelles, Allgemein | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

Der Medienstaatsvertrag und der ÖRR

Was ist der Medienstaatsvertrag?
Der Medienstaatsvertrag ist ein Vertrag zwischen allen 16 Bundesländern. Dieser sorgt dafür, dass insbesondere die Regelungen zum Rundfunk im gesamten Bundesgebiet einheitlich ausfallen.
Damit gilt er als die wichtigste rechtliche Grundlage für das duale Rundfunksystem in Deutschland und ist der Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung. Er beinhaltet Grundsatzregelungen und Aufträge für den öffentlich-rechtlichen und den privaten Rundfunk. Zusätzlich gilt er auch für alle Anbieter von Telemedien.

Warum gibt es diesen Staatsvertrag?
Gemäß dem Grundgesetz liegt die Zuständigkeit für die Rundfunkgesetzgebung bei den Bundesländern, wobei die Staatsverträge zwischen den Ländern und deren jeweiligen Rundfunksystem geschlossen werden. Die länderspezifischen Eigenheiten sind meistens Assets, die die Landtage auch beibehalten wollen. Der Medienstaatsvertrag wurde daher zwischen den 16 Bundesländern Deutschlands geschlossen, um einheitliche rechtliche Regelungen für den Rundfunk und andere Medienangebote über alle Bundesländer hinweg zu schaffen. Durch diese länderübergreifende Vereinbarung sollen Harmonisierung und Koordination in der Medienregulierung gewährleistet werden. Mit dem am 7. November 2020 in Kraft getretenen ersten Medienstaatsvertrag (MStV) reagieren die Gesetzgeber auf die zunehmende Digitalisierung der Medienwelt.

Was ist die Aufgabe des Medienstaatsvertrags?
Nach dem wegweisenden Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2021 haben die Länder den Dritten Medienänderungsstaatsvertrag gestaltet, der am 01.07.2023 in Kraft trat und den Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen in der digitalen neuen Medienwelt näher formuliert. Das bedeutet: „Die Medien, ob öffentlich-rechtlich oder privat, sind in Deutschland in einem dichten Regelwerk verankert, das auch als Reaktion auf den Missbrauch der Medien als Mittel der Propaganda in Zeiten der Diktatur zu bewerten ist“, so Stefan Raue, Intendant von Deutschlandradio, und er betont weiterhin „daran beteiligt sind die Bundesländer, die Medien in ihrer Selbstorganisation und das Verfassungsgericht. Der besondere Fokus liegt auf der Presse- und Rundfunkfreiheit. Sie ist kein besonderes oder gar komfortables Privileg für widerborstige Journalisten, sie ist schlechthin in einer medial vermittelten parlamentarischen Demokratie die zentrale Voraussetzung für Meinungsstreit, Meinungsbildung und demokratischen Diskurs.“

Mehr Änderungen als Staatsvertrag?
Es finden regelmäßige Änderungen und Ergänzungen, mit dem Fokus auf den sozialen Ereignissen, die sich bis dato abspielen, statt. Der vierte Medienänderungsstaatsvertrag zur Änderung medienrechtlicher Staatsverträge, trat erst kürzlich, am 01.01.2024 in Kraft. Er soll die Werkzeuge der Kontrolle und Selbstkontrolle der Rundfunkanstalten schärfen. In diesem Anlauf wird das große Ganze betrachtet: Wie und in welcher Struktur sollen die öffentlich-rechtlichen Sender in einigen Jahren arbeiten, wirtschaften und vor allem wirksam sein? In der Pressemitteilung des Berliner Senats vom 25.07.2023 heißt das genauer: „geschärft werden etwa die Anforderungen in Bezug auf die Transparenz der Gehälter von Führungskräften, die Einsetzung von unabhängigen Compliance-Beauftragten oder die Befangenheitsregeln für Gremienmitglieder. Ebenso sollen der Sachverstand in den Aufsichtsgremien gestärkt und die Gremiengeschäftsstellen angemessen mit Personal- und Sachmitteln ausgestattet werden, um deren möglichst unabhängige fachliche und organisatorische Zuarbeit für die Aufsichtsgremien zu gewährleisten“. Laut der Rundfunkkommission der Länder werden, mit dieser Ergänzung des Medienstaatsvertrages, einheitliche Regelungen in den eben genannten Bereichen festgelegt. Sie gelten für die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten, das ZDF und das Deutschlandradio.

Was gab es vor dem Medienstaatsvertrag (MStV)?
Der MStV löst die Ära des seit dem Jahr 1991 existierenden Rundfunkstaatsvertrag (RStV) ab. Das Wörterbuch der Journalistik, Journalistikon bringt diese notwendige Ablösung auf den Punkt: „Während sich der RStV im Kern auf die Regulierung des öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunks sowie der Telemedien beschränkte, reguliert der MStV erstmals neue Akteure und zwar solche, die den Zugang zu Inhalten ermöglichen. Dazu identifiziert der MStV mit den Medienintermediären (wie z. B. Suchmaschinen wie Google und Soziale Medien), Medienplattformen (wie z. B. MagentaTV) sowie Benutzeroberflächen (z. B. Apps von Smart-TV-Geräten) und Video-Sharing-Diensten (wie YouTube) neue Akteursgruppen. All diese Medienintermediäre verbreiten keine selbstproduzierten Medieninhalte, sondern machen fremde Inhalte den Usern in einer bestimmten Reihenfolge zugänglich. Im Netz entscheiden sie über die Rezeptionswahrscheinlichkeit von Inhalten und spielen damit eine bedeutende Rolle, wenn es um die Rezeptionsvielfalt geht.“
Die Position der öffentlich-rechtlichen Medien befindet sich also im Wandel, insbesondere mit ihrer verstärkten Präsenz auf Online-Plattformen. Diese Entwicklung stellt eine Herausforderung dar, da es schwieriger wird, ihre Identität als verlässliche Informationsquelle zu bewahren. Daher ist es unerlässlich, neue Strategien zu entwickeln, um die Einzigartigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien hervorzuheben und die Bedeutung eines verbesserten Community-Managements zu betonen.

26. Februar 2024 von Christine Horz
Kategorien: Aktuelles, Allgemein, Reaktionen und Meinungen | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

Der Rundfunkbeitrag: Kontroversen, Reformen, Notwendigkeit

Seit seiner Einführung im Jahr 2013, was ebenfalls der Auslöser für die Gründung der Initiative Publikumsrat war, ist der Rundfunkbeitrag in Deutschland ein kontrovers diskutiertes Thema–wie zuvor schon die Rundfunkgebühr, die geräteabhängig erhoben wurde. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems (ÖRR) durch eine pauschale Abgabe pro Haushalt – unabhängig davon, ob man ÖRR empfängt oder nicht – hat immer wieder zu Debatten über die Höhe, Legitimität und Notwendigkeit geführt. Diese Diskussionen spiegeln die sich wandelnde Medienlandschaft und die vielfältigen Ansprüche der Bevölkerung wider.

Höhe des Rundfunkbeitrags
Eine zentrale Frage in der Debatte ist die Höhe des Rundfunkbeitrags. Aktuell beträgt diese 18,36 Euro pro Monat, den etwa 46,1 Millionen Haushalte in Deutschland zahlen. (Ausnahmen gibt es für Menschen, die in Pflegeheimen wohnen und diejenigen, die Sozialleistungen empfangen. Wenn sie oder ihre Betreuungsbeauftragten über das KnowHow der Antragstellung verfügen.) Argumentiert wird jedoch, dass der Beitrag zu hoch sei und eine Belastung für Haushalte darstelle, insbesondere für Geringverdiener. Befürworter hingegen betonen, dass der Beitrag notwendig sei, um die Qualität und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen.

Legitimität und Akzeptanz
Kritiker des ÖRR stellen gerne die Legitimität des Rundfunkbeitrags in Abrede. Einige Bürger und Organisationen haben gegen die Pauschale geklagt und die Frage aufgeworfen, ob sie gerechtfertigt sei. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist uneinheitlich, wobei viele die Vielfalt und Qualität des öffentlich-rechtlichen Programms schätzen, während andere den Beitrag als ungerechtfertigte „Zwangsabgabe“, teilweise sogar als zusätzliche Steuer empfinden. Generell stößt der Rundfunkbeitrag auf nicht viel Begeisterung. Eine Umfrage vom 16.06.2023, von merkur.de, hat sich die Bereitschaft zur Zahlung angesehen. Mit folgendem Ergebnis: Nur 13 Prozent gehen mit der jetzigen Situation konform!
• 38 Prozent wollen gar keinen Rundfunkbeitrag zahlen
• 14 Prozent würden weniger als fünf Euro bezahlen
• 18 Prozent fänden einen Rundfunkbeitrag zwischen fünf und zehn Euro akzeptabel
• 11 Prozent wollen weniger als 15 Euro zahlen
• 7 Prozent finden einen Betrag zwischen 15 und 18,35 Euro zumutbar
• 5 Prozent halten den aktuellen oder einen höheren Beitrag für in Ordnung

Die rechtliche Grundlage
Als rechtliche Grundlage der Finanzierung dienen insbesondere drei Staatsverträge:
• Das gesamte Verfahren der Ermittlung des Finanzbedarfs sowie die Höhe des Rundfunkbeitrags sind im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) geregelt und festgehalten.
• Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) wird geregelt, dass die neun Landesrundfunkanstalten der ARD zusammen mit dem ZDF und dem Deutschlandradio den Beitrag erheben dürfen. Von den aktuell 18,36 Euro gehen 12,78 Euro an die ARD, 4,69 Euro an das ZDF, 0,54 Euro an das Deutschlandradio und 0,35 Euro an die Landesmedienanstalten. Der Beitragseinzug erfolgt für alle durch den Beitragsservice.
• Der Medienstaatsvertrag (MStV) wiederum umfasst bundeseinheitliche Regelungen für das Medienrecht in Deutschland. Somit regelt er u.a. den gesetzlichen Auftrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllen muss, sowie das duale Rundfunksystem, das sich aus privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern zusammensetzt.
Alle drei Staatsverträge wurden von den Ministerpräsidenten der Bundesländer einstimmig beschlossen und von den jeweiligen Landtagen der Bundesländer durch Zustimmungsgesetze genehmigt.

Das Finanzierungsmodell: Solidaritätsprinzip
Vor allem in Bezug auf das Finanzierungsmodell hagelt es viel Kritik seitens der Öffentlichkeit. Oft wird sich beschwert, dass man die Rundfunkmöglichkeiten nicht nutze, aber den Rundfunkbeitrag nicht kündigen könne, was bei Streamingdiensten wie Netflix und Co. möglich sei. Doch die ÖRR lassen sich nicht mit diesen Streaming Anbietern vergleichen. Thomas Bellut, ZDF-Intendant aus Mainz, erklärt: „das Abo-Modell funktioniert nur, wenn man eine bestimmte Ware ans Publikum bringen will, dafür braucht es ein Kommerz-Modell, denn man will Gewinne machen. Das ist das Ziel von Streamingdiensten, aber nicht von den öffentlich-rechtlichen Medien. Der ÖRR will die Gesellschaft zusammenbringen, alle Facetten ablichten und in der Breite für alle da sein. Nicht nur für eine gewisse Interessensgruppe. Um das zu erreichen, gibt es dieses solidarische Finanzierungssystem: Rundfunkbeitrag.“ Daher finanzieren alle in Deutschland mit etwa 8 Milliarden Euro pro Jahr ein Gesamtsystem mit vielen tausend Stunden Programm, von dem jeder einen kleinen Teil nutzt. Pro Jahr sind das etwa 170.000 Stunden TV und 500.000 Stunden Radio. Daher resultiert unser Rechtsanspruch auf Erfüllung des Programmauftrags.
Samira El Ouassil, Journalistin und Kolumnistin aus München, ergänzt: „Zudem müssen die ÖRR viel mehr bezahlen. Neben den Sportrechten sind auch Auslandskorrespondenten wahnsinnig teuer und einige redaktionelle Netzwerke sind kostenintensiv. Das sind auch alles Kosten, die ein Amazon Prime oder Netflix-Abo nicht haben.“ Zusätzlich sind die Inhalte anders: Im Fokus der ÖRR steht das Informieren, bei den Streamingdiensten das Unterhalten. Soweit der Idealtypus, denn zum ÖRR gehört natürlich alles. Tatsächlich aber geht es um die Frage, wie können Medien finanziert werden, damit sie wirklich unabhängig berichten?
Darum stellen sich vielleicht vielmehr die Frage, wie gut der ÖRR seine Aufgaben erfüllt, als dass er dafür auch Finanzmittel braucht.

Transparenz des Geldes
Der Rundfunkbeitrag unterliegt der Prüfung der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) Ihre Aufgabe ist es, unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten den von den Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf fachlich zu überprüfen und zu ermitteln. Im Rahmen ihrer Aufgabe ist die KEF berechtigt, von den Rundfunkanstalten Auskünfte über deren Unternehmen, Beteiligungen und Gemeinschaftseinrichtungen einzuholen. „Jedoch sollte noch die Transparenz geschaffen werden, mit den Nutzern in den Dialog getreten werden, um deutlich zu machen, für was genau die Rundfunkbeiträge eigentlich ausgegeben werden“, so Dr. Christine Horz, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und Professorin der TH Köln. Ein wichtiger Verbesserungsvorschlag im Umgang mit dem Rundfunkbeitrag. Auch der Zukunftsrat hakt an dieser Stelle ein und fordert klar eine Verlegung auf mehr Umsetzungskontrolle als nur die Zuweisung von Mitteln im Vertrauen auf deren adäquate Nutzung.

Was sichert der Rundfunkbeitrag?
Der Rundfunkbeitrag ist wichtig, denn er macht es möglich, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihren Auftrag unabhängig erfüllen können. Dieser besteht darin Inhalte in den Bereichen Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung zu ermöglichen und dadurch einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und damit zur Öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Das Problem liegt jedoch heutzutage darin, dass dieses gesamtöffentliche Angebot des ÖRR nicht mehr erkannt wird, weil immer mehr Inhalte in Social media Feeds eingebettet sind. Der Rundfunkbeitrag fließt ja nicht nur in die klassischen Sender von Fernsehen (ARD, ZDF) und (Deutschland-)Radio, sondern die bezahlten Inhalte sind ebenfalls weit verbreitet im Internet u.a. auf YouTube in Form von Nachrichteninhalten zu finden, auf Twitter, Instagram und Facebook werden Dinge diskutiert, auf der Tagesthemen Seite sind zu nachzulesen, Talk-Shows und durch den Rundfunkbeitrag finanzierte Serien sind ebenfalls in den Mediatheken zu finden. Die Inhalte des ÖRR sind somit weit verstreut und jeder nutzt sie in gewissen Bereichen regelmäßig, manchmal ohne sich dessen bewusst zu sein – z.B. Verkehrsfunk. Gesamtgesellschaftlich werden damit auch u.a. Kinofilme, Gemeinschaftsproduktionen und Musikveranstaltungen finanziert. Diese Vielfalt ist nicht zu unterschätzen und liefert einen wichtigen Beitrag in unserer Demokratie, was ebenfalls das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.07.2021 unterstreicht. Genauer heißt es, dass der Rundfunkbeitrag notwendig sei, damit der Grundrechtsschutz gewährleistet werden könne.

Reformvorschläge und Diskussionen

Der Zukunftsrat empfiehlt eine grundlegende Veränderung im Finanzierungssystem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Statt einer vorausgehenden Bewertung der Mittelvergabe soll diese nun auf Basis der tatsächlichen Leistung erfolgen. Dabei würde eine unabhängige Kommission wie die KEF klare Kriterien verwenden und bei unzureichender Erfüllung des Auftrags Abschläge bei den Finanzzuweisungen vornehmen können. Diese Umstellung des Verfahrens auf eine Ex-post-Bewertung würde die Beitragspflicht der Haushalte beibehalten und gleichzeitig sicherstellen, dass die Mittel effektiv genutzt werden. Die Ergebnisse dieser Evaluation sollen öffentlich zugänglich sein, was zur Förderung der Akzeptanz beitragen kann. Zudem schlägt der Zukunftsrat vor, den Rundfunkbeitrag an das aktuelle Beitragsaufkommen zu indexieren, um politische Kontroversen zu vermeiden und den Ländern Flexibilität bei der Nutzung von Einsparungen zu ermöglichen. Dies würde auch eine Einflussnahme durch staatliche Finanzierung verhindern und die Unabhängigkeit des Rundfunks sicherstellen.

Die Zukunft des Rundfunkbeitrages
Es bleibt abzuwarten und sich einzumischen, was weiterhin passiert. Zudem ist die Medienlandschaft stetig im Wandel. Neue Technologien, die Digitalisierung und die große Unzufriedenheit, die die Gesellschaft kennzeichnet, stellen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor Herausforderungen und werfen unter anderem die Frage auf, wie sein Finanzierungsmodell zukünftig gestaltet sein sollte. Vielleicht sollten die ÖRR eigene Online-Plattformen auflegen, statt ihre Inhalte den intermediären Plattformen zu schenken? Hieran müssten auch die Bildungsministerien Interesse haben, die eine Sorgfaltspflicht im Datenschutz gegenüber Lehrkörper und besonders Schülern haben.
Jedoch sollte der Rundfunkbeitrag nicht im Themenfokus der heutigen Debatten stehen. Die Kaprizierung auf den Rundfunkbeitrag, ein von mancher politischer Seite bevorzugtes Spiel, zielt darauf ab, den ÖRR zu schwächen oder gar abzuschaffen, weshalb es in der Reformdebatte sicher zielführender wäre, über Inhalte und Qualitätskontrolle, Partizipation und Transparenz zu diskutieren, statt über eine Differenz von Cent-Beträgen.

25. Februar 2024 von Christine Horz
Kategorien: Aktuelles, Allgemein, Reaktionen und Meinungen | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

10 Jahre Initiative Publikumsrat – Eine Bestandsaufnahme

Im Experten-Interview mit Frau Prof. Dr. Sabine Schiffer, Sprach- und Kommunikationswissenschaftlerin und Dozentin an der HMKW Frankfurt, Frankfurt 12.12.2023

Hallo Frau Schiffer, vielen Dank, dass Sie sich heute die Zeit nehmen, um für unsere Fragen Rede und Antwort zu stehen. Vor 10 Jahren, im November 2013, haben Sie zusammen mit Frau Dr. Horz die Initiative Publikumsrat gestartet aufgrund der damaligen Entscheidung der Haushaltsabgabe. Wenn Sie jetzt darauf zurückblicken, was ziehen sie für eine erste Bilanz?
Man sieht das vielleicht nicht so gut an der Oberfläche, was wir in den 10 Jahren alles gearbeitet haben. Vor allen Dingen in Sachen Forschung, um zu schauen, was müsste geschehen, damit es in Deutschland möglich ist gewählte oder bestimmte Publikumsräte, also direkte Vertreter der Bevölkerung, in die Rundfunkkontrollgremien zu bekommen? Wie das gelingen kann, da sind ja juristische Dinge zu klären. Wie kann der Medienstaatvertrag verändert werden? Meine Kollegin, Frau Prof. Horz-Ishak, war sehr viel in politischen Gremien tätig, auch mit anderen Initiativen im Kontakt; beispielsweise gibt es ja den 10-Punkteplan zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Demnächst erscheint dazu auch ein neuer von Peter Welchering auf Journalistik-online. Das sind alles so Dinge, die im Hintergrund passieren, die man nicht unbedingt an der Oberfläche wahrnimmt.

Aber wir haben uns vor gut 10 Jahren mit der Einführung des Haushaltbeitrags entschieden, dass etwas geschehen muss, um die Stakeholder, wir als Anspruchsgruppe, die Nutzer und Beitragszahlenden des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, besser mit ihnen zu verbinden. Weil wir denken, dass der Anspruch, den wir da haben, nicht genug bekannt ist, die möglichen Forderungen daraus und auch das Verbesserungspotenzial, was sich ergibt. Denn wenn sich etwas schlecht entwickelt, dann sollte man schauen, wie man es verbessern kann und nicht, wie man es abschaffen kann.

Was ist denn aus ihrer Sicht das Wichtigste, was es noch zu ändern bzw. verbessern gilt?
Also, wir sind zunächst davon ausgegangen, dass wir ein eigenes Gremium Publikumsrat brauchen. Davon sind wir inzwischen weggekommen, weil die jetzige Struktur der Rundfunkkontrollgremien ja besteht und es viel sinnvoller wäre, wenn in jedem der Gremien ein gewählter Publikumsrat säße, die/der dann auch berichtspflichtig ist. Der/Die sich mit bestimmten Themen für die Wahl in der Öffentlichkeit vorgestellt hat. Dadurch soll eine Debatte über Medien entstehen: was haben sie zu leisten? Öffentlich-rechtlich: was ist unser Anspruch? Was läuft gut? Was läuft schlecht? Also Medienkritik und Medienbildung im weitesten Sinne. Aber dafür muss eben erstmal diese Struktur geschaffen werden, die diese „Black-Box“, wie wir sie momentan haben – wie wer in welches Kontrollgremium kommt -, die also diese Blackbox auflöst und so eine richtige Ombudsfunktion herstellt. Beispielsweise eine Berichtspflicht: Welche Programmbeschwerden sind eingegangen? Was wurde wie entschieden? Dieser ganze Vorgang soll transparenter gemacht werden und das für alle. Nicht nur für den einzelnen Beschwerdeführer.

Wir sind im Laufe der Zeit immer mehr dazu gekommen zu überlegen, ob eine Wahl eine gute Idee wäre. Da ist erstmal die Frage: wie führt man die durch? Sie müsste an andere Wahlen geknüpft sein. Für dieses veränderte Entsendeverfahren müsste der Medienstaatsvertrag entsprechend geändert werden – so wie es einmal beinahe beim WDR Gesetz gekommen wäre. Und es ist ja jetzt auch vielfach in der Debatte, ob bei Wahlverfahren irgendwelche Manipulationen durch einflussreiche Gruppen eine Rolle spielen könnte und ob es vielleicht eine andere Form für dieses Entsendeverfahren gibt, zum Beispiel ein Losverfahren, oder ob es nicht tatsächlich mehr in Richtung Experten Gremium mit Experten-Funktion der einzelnen Publikumsräte in den Kontrollgremien geht, weil es nicht eine Geschmacksfrage ist, welches Programm gut ist, sondern es um Qualitätsprüfung geht und die Frage, ob bestimmte Aufträge vom öffentlich rechtlichen Rundfunk auch wirklich erfüllt werden. Und ob das, was das Programm dann bietet – also, ob der Programmauftrag in seiner Gänze – erfüllt wird. Und dazu gehört durchaus auch die Expertise und die Zeit, die man aufwenden muss, um das zu erfüllen. Das sind bisher die Erkenntnisse. Wir haben dann Vergleiche gemacht mit anderen Ländern. Was gibt es wo? Wovon könnte man etwas lernen? Im Moment haben wir in Österreich eine ganz starke Reformdebatte um den ORF, der etwas anders aufgestellt ist als unsere ÖRM: Deutschlandfunk-, ZDF- und ARD-Medien. Insofern können wir da einiges lernen, aber auch nicht alles eins zu eins übernehmen.

Wo läuft es denn mit dem Publikumsrat besonders gut, an welchem Land sollten wir uns ein Beispiel nehmen? Eben haben Sie schon Österreich erwähnt, wovon könnten wir uns noch etwas abschauen?
Man kann sich viel abschauen bei anderen Ländern, zum Beispiel auch wie es nicht ablaufen soll. Dazu kann man die Entwicklung bei der BBC betrachten. Da hat man die Kontrolle mehr oder weniger ausgelagert, keine transparente Struktur geschaffen und insgesamt ist die BBC „under attack“ von politischer Seite. Das sollte uns eine Warnung sein. In Österreich ist die Aufstellung natürlich eine ganz andere mit Stiftungsrat und Publikumsrat und was es noch so alles gibt. Was wir dort lernen konnten, ist, dass früher ein Teil des Publikumsrates direkt gewählt wurde von den Nutzern des ORF, allerding per Fax Wahl. Das Wahlverfahren ist somit ein ganz entscheidendes Medium, wer sich an der Wahl beteiligen kann und wer nicht. Deshalb können wir uns nicht auf eine reine online Struktur verlegen, da würden wir viele Menschen ausschließen. Man muss immer überlegen, wie man alle Zielgruppen wirklich erreicht. Bei der Schweiz, die ebenfalls von ihrem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem ganz anders aufgestellt ist mit einer „Bottom up“ Struktur. Alles ist in Vereinen mit der Tradition der direkten Demokratie von unten nach oben verankert; von da aufbauend setzten sich dann auch die einzelnen Gremien zusammen. Davon können wir einiges lernen natürlich: Vereinsstrukturen, Demokratie. Aber wir sind nicht so direkt demokratisch organisiert wie die Schweiz und auch nicht in diesen Verwaltungseinheiten und Strukturen. Wir sind durch den Medienstaatsvertrag hier in Deutschland verfasst. Von der Schweiz kann man also nur einzelne Elemente lernen, aber nicht übertragen oder gar den Rundfunk komplett so umbauen, dass es so wäre wie dort, denn dafür haben wir das Rahmensystem nicht.

Inwiefern sind denn die Öffentlich-Rechtlichen noch von Bedeutung? Immer mehr Menschen, vor allem wir junge Menschen, sind nur noch auf social media unterwegs. Ist das System der ÖRR noch relevant und zeitgemäß?
Sie müssen sich als junger Mensch auch die Frage stellen: wo kommen denn die Inhalte her, die über diese Plattformen ausgespielt werden? Wer hat die wie unabhängig recherchiert oder nicht? Das ist genauso ein Problem, wo eine andere Frage der Medienkompetenz dazu kommt, als wie wir sie bisher schon hatten. Fehler oder Manipulationen gibt es überall, auch in den ÖRM. Die erste Zielgruppe der PR ist ja immer der Journalismus, weil dort die Botschaften veredelt werden, da sie dann als journalistisch geprüft gelten. Insofern gibt es immer Potenzial einmal für gute Recherche, aber auch für Manipulation überall.

An unserem Mediensystem, das duale System, welches wir seit den 80ern haben, private Anbieter und die öffentlich-rechtlichen, kann man durchaus sehen, dass es noch einen anderen Anspruch gab an Informationen. Im Unterhaltungsbereich gab es viele Angleichungsprozesse. In Sachen Qualität kann man in den Gremien darüber diskutieren. Aber zu glauben, die Inhalte sind dann irgendwie da und dann kommen die über Instagram zu mir und ich wähle dann aus, was mir gefällt, das ist nichts, was ausreicht für die demokratische Verfasstheit eines Staates – für Meinungsbildungsprozesse, also für das was man Öffentlichkeit nennt. Wir haben grundsätzlich die Schwierigkeit mit einer Fragmentierung und Atomisierung der Öffentlichkeit, wo jetzt quasi die öffentlich-rechtlichen Medien mit Beiträgen, wie auch andere – teilweise qualitativ hochwertigen, teilweise Boulevard – und allem sonst um die Aufmerksamkeit buhlen und mit den Algorithmen kämpfen.

Da ist die Frage, wie das organisiert wird für die Demokratie. Wir brauchen sicherlich ein Schulfach Medienbildung, um uns alle systematisch über Meinungsbildungsprozesse im Mediensystem besser aufstellen zu können. Auf keinen Fall könnte man sagen: die Freiheit liegt im Internet. Die Freiheit im Internet ist die Freiheit irgendwelcher großen Medienkonzerne. Und manche meinen das wäre Meinungsfreiheit und tolles Informiertwerden. Da sprechen viele Studienergebnisse dagegen. Die Frage, wer mit welchem Aufwand – und damit kommen wir zum öffentlich-rechtlichen System, warum ich das immer eine „Perle mit Defekten“ nenne – was produziert? Wer sich nicht so gut im internationalen Medienvergleich auskennt, der läuft Gefahr zu glauben „das gefällt mir nicht und deshalb schaffen wir das ab“ – also damit auch Auslandsberichterstattung zum Beispiel. Aber zu begreifen, dass es hier idealtypisch von der Verfasstheit her eine Struktur gibt, wo Finanzmittel da sind, die wir alle zusammen erbringen, sodass ein unabhängiger Journalismus nachhaltig finanziert ist, egal, ob eine Recherche gemacht wird, die nachher nichts ergib – denn es muss die Möglichkeit geben, alles auszuleuchten ohne auf ökonomische Interessen achten zu müssen, und es ggfs. zu verwerfen, wenn es nicht taugt. Als Journalist muss ich es also nicht unbedingt verkaufen, wie in dem Fall, wenn ich finanziell nicht abgesichert bin.

Darum sprechen wir von „idealtypisch“ für den ÖRR. Denn es gab in letzter Zeit genügend Skandale, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht vor Einflussnahme gefeit ist. Es gab auch genügend Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes dazu. Diese bestärken uns in dem Reformanliegen. Da muss man ganz klar diese Strukturreform, also das Schaffen von Strukturen, wo mehr Differenzierung und Kontrolle möglich ist, von den Geschmacksfragen trennen. Das Unterfangen lohnt. Wir haben auch schon genügend alternative Plattformen degenerieren sehen, die erst mit dem hehren Anspruch gestartet sind „hier kommt jetzt die Aufklärung und wir machen das alles anders und besser“, um dann am Ende einzusehen: „naja wir müssen auch am Ende unsere Monatsmiete zahlen und sind von Klicks und Likes abhängig“, was dann nicht unbedingt langfristig dazu führt, dass man einen nüchternen, kühlen Kopf behält. Und es gibt noch andere Faktoren, die da auch mit reinspielen können.

Wie muss etwas angelegt sein, dass es idealtypisch potenziell und bestenfalls auch in der Umsetzung unabhängig ist? Das schafft ein körperschaftliches (öffentlich-rechtliches) System, darum ist die Strukturfrage wichtig. Wir alle müssen dann auch lernen Ansprüche zu formulieren, denn wir finanzieren das Ding. Wir sind die eigentlichen Auftraggeber. Und eben die Geschmacksfragen und Medienkritik und auch die tatsächlichen Kritikpunkte, müssen von der Strukturfrage in gewisser Weise getrennt werden. Wenn wir sehen, dass etwas gänzlich schief läuft, müssen wir dann in der Lage sein zu überlegen, wie man Strukturen nachjustieren kann. Das muss geschehen, ohne dass ich oder er oder jemand Einflussreiches die Möglichkeit hat zu sagen: ich hätte es gerne so, das mir das und das als Inhalt gefällt oder das, was meine politische Ausrichtung ist. Das darf nicht das Ergebnis unserer Reformbemühungen sein.

Wie kann man denn die gesellschaftliche Realität in den Gremien am besten abbilden? Kann der einzelne etwas tun, um dies zu verbessern?
Die Gremienzusammensetzung war schon immer ein großes Thema und es ist auch seit dem Verfassungsgerichtsurteil von März 2014 mindestens in der Debatte, dass diese Gremien eine alte Struktur widerspiegeln. Da sind bestimmte Organisationen vertreten, manche die immer relevant sind, wie bestimmte Gewerkschaftsorganisationen. Aber es sind zum Beispiel auch Organisationen vertreten, die – ich sag es mal böse – die langsam aussterben wie die Vertriebenenverbände. Viele junge Organisationen, viele neu hinzugekommene Bürger, sind gar nicht so recht repräsentiert. Es ist viel zu wenig divers. Migrantische Communities sind nicht abgebildet worden und dann existiert auch zu wenig Politikferne, teilweise sind ja auch Vertreter der Politik in einzelnen Gremien. Da war die Frage: inwiefern soll das überhaupt sein oder müsste man das zumindest zurückfahren?

Umbruchprozesse sind immer gefährlich und man kann beobachten, dass manche, anstatt zu schauen was sich ändern müsste und was die Bevölkerung repräsentativ abbildet, wie divers wir denn inzwischen sind, dass manche schnell hineilen und sagten „ach wir nehmen jetzt einfach mal einen migrantischen Vertreter mit in unser Gremium“ und dann verhindern wir die große Debatte. Wir haben das beim ZDF-Fernsehrat beobachtet, bei verschiedenen Rundfunkanstalten der einzelnen Bundesländer – die sind ja für TV und Radio zuständig sowie der Hörerrat beim Deutschlandradio – und dann gab es einzelne Initiativen, die dann einen migrantischen Vertreter mit reingenommen haben. Plötzlich hat man anscheinend gesehen, dass es muslimische Vertreter gibt, denn jüdische Vertreter gibt’s ja auch, die christlichen Kirchen sind auch sowieso vertreten. Ich sag mal, es wurde Diversity inszeniert. Aber solche Schnellschüsse taugen meistens nicht, um die Gesellschaft repräsentativ abzubilden. Das war schnell gemacht und schnell gedacht, um zu zeigen: hier tut sich was, wir haben die Botschaft verstanden, wir reformieren. Punkt. Und der Rest ist dann wieder in dieser „Black Box“ verschwunden, von der ich ja schonmal sprach, dass im Grunde genommen niemand genau weiß: wie bestimmt denn beispielsweise Verdi als Gewerkschaft seine Vertretung im Rundfunkrat? Wer bestimmt die entsendete Person für diese Organisation in den Rat? Was macht die denn da genau? Gibt es da eine Wahl? Wird die bestimmt? Mit welchem Programm? Wie ist da die Rückmeldung in der Gewerkschaft? Findet da irgendetwas statt? Und vor allen Dingen: wie ist es dann mit der Transparenz für die Öffentlichkeit? Werden die Protokolle veröffentlicht?

Wir haben eine große Recherche gemacht in einem der früheren Semester, das ist auf Journalistik online, Fachzeitschriften Portal vom Halem Verlag veröffentlicht, die zeigt, wie stereotyp und lückenhaft die Zusammensetzung der Rundfunk-Gremien eigentlich ist. Bestimmte Bevölkerungsgruppen sind vollkommen überrepräsentiert. Ich nenne das Merkmal Alter. Junge Leute sind vollkommen unterrepräsentiert. Und natürlich kann man jetzt immer sagen: da geht eine Zielgruppe verloren, die bewegen sich sowieso auf Instagram, unterscheiden auch gar nicht, ob das eine App von einem öffentlich-rechtlichen oder einem anderen Anbieter ist.

Dann hat das auch teilweise damit zu tun, dass man dort gar nicht erkannt hat die Gruppen an sich zu binden, sich mit seinem Publikum in gewisser Weise zu verbünden. Da fehlt noch insgesamt ein großes Bewusstsein vonseiten der Intendanzen und jetzt bestehenden Gremien. Für manche ist es auch nur etwas Schönes in seinem Lebenslauf Teil eines Gremiums zu sein. Aber, dass man damit eine wichtige Aufgabe übernommen hat, es nicht um persönliche Geschmacksfragen geht, sondern die für die Organisation, von der man dann entsendet wurde, das scheint im Laufe der Jahre verloren gegangen zu sein. Es gibt auch super engagierte Räte in den einzelnen Gremien, die dann auch immer mal wieder an die Öffentlichkeit treten und Dinge transparent machen und die Debatte auch konstruktiv befördern. Aber das ist eher dem Zufall überlassen und nicht unbedingt etwas, was wir systematisch einfordern. Und das Fordern sollten wir uns als Finanzierer dringend angewöhnen.

Was ist ihrer Meinung nach die beste Möglichkeit, um die Initiative Publikumsrat unterstützen zu können?
Indem man sie bekannter macht und supportet. Tatsächlich es ja ein ziemlich kompliziertes Anliegen, das wir haben. Wir sehen das ja auch hier jetzt im Kurs. Man muss erst einmal Wissen über das Mediensystem vermitteln, die Assets des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Warum wollen wir darum kämpfen? Das muss man wirklich erst richtig vermitteln. Es gibt genügend Initiativen, die den Rundfunkbeitrag abschaffen wollen. Dann haben wir am Ende sowas wie in Frankreich, wo die Regierung entscheidet welche Steuern wem zugewiesen werden. Das ist eine Katastrophe.

Sprich wir haben ein komplexes Anliegen und unsere Ziele sind jetzt tatsächlich auch mit Instagram und TikTok dieses Wissen auch in jüngere Kreise zu geben. Offensichtlich gibt es ja keine systematische Medienbildung an Schulen. Auch das wird dem Zufall überlassen, was junge Leute genau erfahren, beispielsweise wie unser Mediensystem aufgestellt ist. Die Publikumsinitiative ist diejenige, die sich dafür einsetzt, dass es die Publikumsräte, also diese direktere Verbindung zu der Bevölkerung gibt. Das kann man unterstützen, indem man beispielsweise unsere geposteten Inhalte weiter teilt oder sich selbst mit engagiert. Wir brauchen immer wieder engagierte junge Mitarbeitende und Hilfe, um diese Dinge zu bedienen, dass wir mehr Menschen erreichen und dann natürlich auch da, wo man ist, dazu bereit ist dafür zu werben. Das kann auf allen möglichen Ebenen sein. Zum Beispiel auch, indem man sich gegen solche Initiativen stellt, die den Rundfunkbeitrag abschaffen wollen. Die sind ja ganz gut aufgestellt, die demonstrieren regelmäßig vor dem Hessischen Rundfunk. Da könnte man mal hingehen und sagen „Hey habt ihr euch das auch gut überlegt, was das jetzt bedeutet, wenn wir unseren Anspruch verlieren? Dann bleiben nur Medien als Markt übrig und das ist nicht der Garant für Demokratie! Dann ist unser Anspruch auf Erfüllung des Programmauftrags weg. Wollt ihr das wirklich?“. Das sind alles so Möglichkeiten, wo man sich einbringen kann. Und wer sich hier berufen fühlt, bitte gerne bei uns melden! Wir haben immer Bedarf.

Vielen Dank Frau Schiffer für das interessante, aufschlussreiche Interview und ihre hilfreichen Anregungen. Wir bleiben dran!

Das Interview ist seit dem 10.01.2024 auf unserem Youtube-Kanal zum nachhören zu finden.

Das Interview wurde am 28.11.2023 in der HMKW Frankfurt von den JU-Studierenden Finn Wegner, Felix Koch, Giulia Becker und Lavinia Kraus geführt.

12. Dezember 2023 von Christine Horz
Kategorien: Aktuelles, Allgemein, Interviews, Reaktionen und Meinungen | Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , | Schreibe einen Kommentar

Pressemitteilung

Frankfurt, 18.10.2022

Der rbb-Skandal hat es ans Licht gebracht, was Insider und die Wissenschaft schon lange wissen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat strukturellen Reformbedarf. Ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk noch zu retten? Und wenn ja, wie?

Der Förderkreis des Instituts für Medienverantwortung lädt zur öffentlichen Diskussion am 21.10.2022 um 19:30 im Terzo Mondo (Berlin) und via Livestream ein: www.terzomondo.de. Prof. Dr. Christine Horz-Ishak vertritt die Initiative Publikumsrat.

Durch gewählte Publikumsräte wird der Dialog zwischen Rundfunkanstalten und Publikum gefördert und
mehr Mitgestaltung, Transparenz, sowie Qualitätskontrolle in den Kontrollgremien der öffentlich rechtlichen Sender ermöglicht. #OERRreformieren

Gemeinsam mit Christoph Hölscher von der Freienvertretung des RBB und Erhard Grundl, MdB und Fraktionssprecher Medien und Kultur von Bündnis90/Die Grünen, können Sie sich auf eine spannende Debatte mit kritisch-konstruktiven Ideen freuen und gerne auch dazu beitragen.

Wir freuen uns auf Ihr Interesse und Ihre Teilnahme, gerne auch Ankündigung und
Berichterstattung!

Sollten Sie mit Prof. Dr. Christine Horz-Ishak oder auch Vertretern des Instituts für Medienverantwortung sprechen wollen, stellen wir gerne einen Kontakt her.

Kontakt:
Julian Weingardt
T| +491783310556
E|initiative.publikumsrat@gmail.com

Publikumsratsinitiative:
publikumsrat.de
Instagram @publikumsrat
Twitter @PublikumFragen
YouTube Initiative Publikumsrat

Was ist die Publikumsratsinitiative?
Die Initiative zur Etablierung von Publikumsräten wurde 2013 gegründet. Ihr Ziel ist es, die Anspruchsgruppen der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland an den Rundfunkgremien zu beteiligen. Durch gewählte Publikumsräte würde der Dialog zwischen Rundfunkanstalten und Publikum gefördert und mehr Mitgestaltung, Transparenz sowie Qualitätskontrolle und Vielfalt in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Sender möglich. Außerdem stellt der direkte Draht zum Medienmachenden einen Beitrag zur Medienbildung dar. Die Initiative leistet dadurch einen Beitrag zur Publikumsbindung.

21. Oktober 2022 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

#SWR2: Feature zur Vielfalt im Journalismus

Das Thema Diversität im Journalismus spielt auch in den öffentlich-rechtlichen Medien eine immer größere Rolle – kein Wunder, denn Menschen mit Migrationsgeschichte und der (post-)migrantischen Generation finden sich in den Angeboten noch zu wenig wieder.

SWR2 Wissen gibt in seinem Feature der Radio-Journalistin Filiz Kükrekol einen gut informierten  und differenzierten Einblick in die aktuelle Debatte um mehr Vielfalt im Journalismus. Es geht um die Erfahrungen der Journalis:innen of colour, um die Ziele des SWR, bis zu 25% der Volontär:innen einzustellen, um die Realität der Gesellschaft auch in die Redaktionen zu tragen.

Gesprächspartner:innen sind u.a. Journalist:innen mit Migrationsgeschichte, Expert:innen (auch Publikumsratsvorsitzende Prof. Dr. Christine Horz-Ishak) und Medienverantwortliche.

Das Audio kann heruntergeladen werden.

16. September 2021 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

In eigener Sache: Podcast über journalistische Arbeit und Publikumsräte

Sabine Schiffer, Mitbegründerin der Intiative für einen Publikumsrat hat dem Journalisten Peter Welchering („Aus dem journalistischen Maschinenraum“) ein erhellendes Interview zu den Hintergründen und dem Selbstverständnis des Journalismus gegeben.

Interessant wird es vor allem, als die journalistischen Ängste auf die medienwissenschaftliche Sicht trifft und das Thema der Publikumsräte intensiv im Interview zum Tragen kommt. Schiffer macht deutlich, dass an Media Governance, also der Beteiligung der Bürger an einer nachhaltigen Medienpolitik, mittelfristig nicht herumzukommen ist. Denn Politik, auch Medienpolitik, kann nicht tragfähig sein, wenn sie ohne die Bürger gemacht wird. Dies diene auch dem Journalismus, denn dieser werde mehr und mehr ökonomisiert und gerät dadurch weiter unter Druck. Eine gute journalistische Arbeit sei so immer schwerer zu leisten. Hier braucht auch der Journalismus Input der Bürger.

Natürlich ließe sich hier einwenden, dass längst nicht alle den Medien wohlgesonnen sind. Umso wichtiger wäre es, das Wissen über Medien und journalistisches Arbeiten durch Publikumsräte in die breite Bevölkerung zu tragen. So könnten die eklatanten Wissenslücken über die Funktionsweise des Journalismus zumindest ansatzweise geschlossen werden, die zumindest in Teilen der Bevölkerung die Ursache für eine Medienskepsis sind.

Sehr hörenswerter Podcast! Für Mediennutzende, wie auch für JournalistInnen und Entscheider:innen in den Sendern ein spannender und verständlich formulierter Einblick in aktuelle medienpolitische Debatten – die uns alle angehen!

26. August 2021 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

#ARD #ZDF: Neuer Auftrag in Sicht?

Die digitale Entwicklung, der Kostendruck sowie die Abwanderung der Jungen in das Internet sind Herausforderungen, welchen sich die öffentlich-rechtlichen Medien (ÖRM) stellen müssen.

Seit einiger Zeit beraten die Länder über eine Neuausrichtung des Auftrags der ÖRM.

Sicher sinnvoll, doch wie sieht nun der neue Auftrag aus? Bisher ist bekannt, dass künftig nur noch Das Erste, das ZDF, die Dritten, Arte und 3sat verpflichtend beauftragt werden sollen, den Funktionsauftrag sicher zu stellen. Unter dem Stichwort Flexibilisierung sollen einige Spartenkanäle ins Internet verlegt werden. Außerdem bauen ARD und ZDF eine gemeinsame Mediathek auf, um so Synergien zu nutzen. Dies ist sicher ein sinnvoller Schritt. Auch sollen sie transparenter werden, was die Verwendung der Gebühren betrifft. Alleine: das sind sie bereits.

Reicht das aus? Wie steht es um die inhaltliche Ausrichtung? Die Staatskanzlisten sprechen von „Sachlichkeit“. Noch ist nicht sicher, ob die ÖRM dann die wichtigen Polit- und Satiremagazine „schleifen“, um kommentierende Darstellungsformen zurückzudrängen. Gerade angesichts von Fake News, der Gängelung unabhängiger Medien in ost-europäischen Ländern sowie aus dem rechten politischen Lager ist deutlich geworden, wie unverzichtbar ARD, ZDF und Deutschlandradio für die Demokratie sind. Sie sollten ihre Rolle der Kontrolle des parlamentarischen und politischen Geschehens sogar noch ausbauen.

Aus unserer Sicht fehlt auch eine öffentliche und offene Debatte um den Public Value – also den gesellschaftlichen Mehrwert des neuen Auftrags. Nutzende sollten in die Reform stärker eingebunden werden. Auf diese Weise können auf der Senderseite neue Nutzergruppen und auf der Publikumsseite neue Identifikationspunkte mit den ÖRM erschlossen werden. Spannende Vorschläge hatten Expert:innen vor einiger Zeit schon gemacht!

08. Juli 2021 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

#WDR: #Die letzte Instanz – wird es nun eine Diversity-Strategie geben?

Nach der massiven Kritik an der Sendung „Die letzte Instanz“, in der über den Begriff Z-Sauce auf herablassende und rassistische Weise diskutiert wurde, hat sich der WDR in seiner „Aktuellen Stunde“ vom 01.02.2021 selbstkritisch mit den Vorwürfen auseinandergesetzt. Die WDR Unterhaltungschefin Karin Kuhn merkt darin im Interview an: „Wir lernen daraus, dass wir nicht divers genug sind. Wenn wir alle zu ähnlich sind, dann fällt uns nicht auf: wo ist unser blinder Fleck?“

Liebe Frau Kuhn, wir nehmen Sie beim Wort und hoffen, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt und der WDR dies nun endlich zum Anlass nimmt, eine nachhaltige Diversitätsstrategie auf den Weg zu bringen!

03. Februar 2021 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

#WDR – Die letzte Instanz: Nichts dazu gelernt!

In welchem Land  – oder auf welchem Planeten lebt der WDR eigentlich? Die Talksendung „Die letzte Instanz“ vom 29.01.2021 hat zum Thema Rassismus nur weiße Talkgäste eingeladen – und die sprechen auch noch sehr unsensibel und teils abschätzig über Rassismus, wie das Jugendportal des Spiegel JETZT zusammenfasst.

Ist die Debatte der letzten Jahre zum Alltagsrassimus in Deutschland an den Machern der Sendung des WDR vorbeigegangen? Haben sie die aktuellen Debatten zur die #BlackLivesMatter Bewegung nicht mitbekommen? Spoiler: In Köln fanden im vergangenen Jahr mehrere Demonstrationen zu diesem Thema statt! Die Medien berichteten und die Online-Debatte auf Twitter reißt nicht ab.

Uns zeigt dieser erneute Fehltritt des WDR, dass es unbedingten Nachholbedarf in Sachen kultursensibler Berichterstattung nicht nur im WDR gibt – schließlich gilt der Sender sogar als Vorreiter, was die Repräsentation von Vielfalt betrifft. An diesem Beispiel wird abermals deutlich, wie dringend öffentlich-rechtliche Medien nachhaltige Diversitätskonzepte benötigen.

Die Sendeverantwortlichen – die übrigens selbst überwiegend weiß und standarddeutsch sind, wie eine Studie der Neuen Deutschen MedienmacherInnen unter meiner Mitarbeit offenlegt –  müssen jetzt endlich Diversität und Antirassismus als Unternehmensziel ausrufen und nicht nur mit vereinzelten Projekten, sondern mit konkreten und nachhaltigen Maßnahmen flankieren!

P.S.: Der Sender WDR sowie einzelne Teilnehmer:innen der Talkrunde haben sich mittlerweile entschuldigt. Sie sollten es jetzt als Anlass nehmen, die Fehler-Entschuldigungsspirale aufzubrechen und die Probleme wirklich da anzugehen wo sie entstehen – durch Selbstreflexion des unconscious bias und konkreten Diversity-Konzepten, die Fragen nach Rassismus nicht ausklammert.

01. Februar 2021 von Christine Horz
Kategorien: Allgemein | Schreibe einen Kommentar

← Ältere Artikel