Für einen Publikumsrat
Dr. Christine Horz, Frankfurt/Erfurt und Dr. Sabine Schiffer Erlangen/Berlin schlagen eine Initiative zur Implementierung eines Publikumsrats bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor:
Für einen Publikumsrat
Auch wenn die GEZ als Gebühreninstitution abgeschafft ist, so bleibt es die Pflicht aller Bürger, die öffentlich-rechtlichen Medien finanziell zu tragen. Dies ermöglicht eine vergleichsweise unabhängige Berichterstattung von Wirtschafts- und Werbeinteressen – im Idealfall.
Allerdings beschweren sich viele Bürger zu Recht, dass Programminhalte ausgedünnt werden – zuletzt wurde die Sendezeit für politische Dokumentationen verringert zugunsten von Unterhaltungsformaten. Auch kritisieren Zuschauer/innen, dass sie sich im Rundfunkrat nicht vertreten fühlen. Durch unsere Rundfunkbeiträge gehen wir als Bürger und Bürgerinnen nicht nur als Zuhörer- und Zuschauer/-innen, eine Beziehung mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten ein, sondern begreifen uns auch als stakeholder (engl. Anspruchsträger, Interessengruppe).
Als solche haben Zuhörer/innen und Zuschauer/innen als diejenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren, ein berechtigtes Interesse daran, wie sich dieser als Institution und Programmanbieter entwickelt, und fordern dementsprechend ein Mitspracherecht. Derzeit hat das Publikum in Deutschland jedoch keine Möglichkeit, das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitzugestalten, was sich auch in der schwindenden Akzeptanz der Rundfunkbeiträge widerspiegelt. Trotz ca. 7,5 Milliarden Euro an Rundfunkbeiträgen haben es die Rundfunkanstalten bislang versäumt, die Beitragszahler bei weitreichenden Entscheidungen wie der Wahl des Intendanten, Haushaltsplänen, aber auch grundsätzlichen Reform- und Strukturfragen oder zumindest dem Programm mitbestimmen zu lassen.
Derzeit ist für die Vertretung im Rundfunkrat der Körperschaftsstatus erforderlich, womit viele zivilgesellschaftliche Organisationen und engagierte Einzelne ausgeschlossen bleiben. Die Sitze in Gremien wie Verwaltungs- und Rundfunk- bzw. Fernsehrat sind häufig nicht für Vertreter/innen der Allgemeinheit reserviert, sondern werden von Politiker/innen besetzt. So sind von insgesamt 77 Mitgliedern des ZDF-Fernsehrats 38 Berufspolitiker/innen, über 2/3 der Mitglieder in sechs Rundfunkräten sind Männer, nur knapp 2% haben einen Migrationshintergrund – der gesellschaftlichen Realität wird also nur ungenügend Rechnung getragen.
Eine unabhängige, sachliche und konstruktive Auseinandersetzung der gesamten Öffentlichkeit mit dem Thema und der Frage, wie die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zukünftig verlaufen soll, ist erforderlich. Zuschauer/innen möchten nicht nur Beschwerden vorbringen, sondern auch ihre Vorstellungen, Anregungen und Lob. Sie möchten informiert werden und mit den öffentlich-rechtlichen Sendern in einen gleichberechtigten Dialog treten. Die Rundfunkanstalten könnten von der Nähe zum Publikum, den Vorschlägen und der Kritik der Zuschauer/innen profitieren.
Deshalb schlagen wir die Installation eines Publikumsrats vor!
Wir verstehen den Rat als unabhängige Interessenvertretung und Mittlerin zwischen Publikum und Rundfunkanstalten und möchten zu diesem Zweck eine Online-Plattform zur Verfügung stellen (www.publikumsrat.de). In der momentanen Planungsphase orientieren wird uns an entsprechenden Institutionen, die als solche mit je eigenen Zielsetzungen u.a. in der Schweiz, Österreich, Großbritannien und den Niederlanden verankert sind. Zur Etablierung des Rates könnten wir deren Beispiel folgen, andererseits aus den Problemen, die sich dort aus der Zusammensetzung des Gremiums ergeben haben, lernen und diese vermeiden. Ein Publikumsrat, in welchem Zuschauer/innen u.a. ihre Meinung zum Programm vorbringen könnten, wird als ein Baustein in einem Gesamtkonzept betrachtet. Ein Publikumsrat könnte sich auch für den Erhalt der audio-visuellen Archive einsetzen, die im Moment aufgrund der Sparvorgaben der Sendeanstalten von der Abwicklung bedroht sind.
Die Initiative „Publikumsrat“ wird von Kommunikations- und Medienwissenschaftler/innen unterstützt und kann folglich die notwendige Fachkenntnis und Neutralität gewährleisten. Von anderen monothematischen Stimmen wie „zahlungsstreik.net“ unterscheidet sich der Publikumsrat darin, dass er den Boykott der Rundfunkbeiträge nicht als Lösung der Problematiken begreift, sondern den Dialog mit allen Beteiligten sucht. Schließlich hat ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem größere Beteiligungspotentiale als kommerzieller Rundfunk.
Wir freuen uns über Spenden auf das Konto Nr. 60022970, BLZ 76350000, Kontoinhaber IMV, Verwendungszweck „Publikumsrat“.
Mailen Sie uns Ihre Adresse an info[at]medienverantwortung[punkt]de für eine Spendenbescheinigung.
1 Kommentar