#TVKritik: #Monsoon Baby

An dem Film Monsoon Baby den das Erste gestern abend ausstrahlte, scheiden sich sicher die Geister. Einige mögen ihn für eine gelungene Darstellung der Komplexität moralischer Entscheidungen einer Leihmutterschaft angesichts der Globalisierung halten. Man kann ihn aber auch als weiteren Beleg dafür nehmen, dass die öffentlich-rechtlichen Medien sich schwertun mit der Darstellung von Diversität und transkulturellen Thematiken. In dem Film geht es um ein deutsches Paar, Nina und Marc, dass sich entschließt eine indische Leihmutter zu engagieren, um ihr Baby auszutragen, obwohl dies in Deutschland verboten ist. Im Verlauf des Films bekommt Nina moralische Skrupel als sie vor Ort in Kolkatta bemerkt unter welchen Lebensbedingungen sich indische Frauen für ein Leihmuttergeschäft entscheiden (müssen). Die Autoren Andreas Kleinert und Florian Hanig gaben sich zwar sichtlich Mühe ein differenziertes Bild zu zeichnen. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Der Film ist voll von Stereotypen, Kulturrelativismen und neokolonialen Perspektiven. Eine Schlüsselszene: nachdem die indische Leihmutter, Shanti – „natürlich“ eine Slum-Bewohnerin, Probleme mit ihrem Mann bekommen hat, flüchtet sie zu Verwandten in die Sümpfe. Um ihren Aufenthaltsort ausfindig zu machen, zahlen die Ärzte der indischen Klinik die Polizei, um Shantis Mann zusammenzuschlagen, weil er ihren Aufenthaltsort nicht preisgibt. Die Eltern des Kindes schauen gefühlt minutenlang zu, wie die Polizei mit Stöcken auf den am Boden liegenden Mann eindrischt. Irgendwann will Nina, gespielt von Julia Jentsch, eingreifen, doch die Klinikärztin (!) hindert sie daran dem Mann zu helfen. Moral: in Indien gelten eben andere Regeln und dort ist es in Ordnung, Menschen von bezahlten Polizisten verprügeln zu lassen.

Im deutschen Fernsehfilm waren es bislang meist Muslime, die als Synonym für Fremdheit standen. Hier nun ist es der indische Subkontinent und seine Bewohner/innen. Die indische Gesellschaft wird als korrupt, moralisch verwerflich aber gleichzeitig als bunt und „so anders“ dargestellt. Womöglich beabsichtigen die Autoren damit, den Zuschauer/innen die neokoloniale Perspektive des deutschen Paares näherzubringen. Es gelingt aber nur an wenigen Stellen, transkulturelle Gemeinsamkeiten, Menschliches darzustellen – etwa als Nina mit einer indischen Leihmutter nach der Geburt und Abgabe des Kindes an die westlichen Eltern den Schmerz der Trennung vom Kind mitfühlt. Insgesamt bleibt das Indienbild stereotyp, distanziert. Fremdheit wird zelebriert – wortwörtlich auch in der schnell einberufenen Hochzeit, die Nina und Marc als Voraussetzung des Leihmuttergeschäfts in Indien vorweisen müssen.

Hier macht sich wieder einmal bemerkbar, dass es die Öffentlich-Rechtlichen bisher versäumt haben, eine Expertise zu Diversität und Transkulturalität, zum Erzählen zwischen den Kulturen aufzubauen. Nach wie vor gibt es keine Diversity-Einheiten, Schulungen oder Strategien in den Sendern.

 

 

 

18. August 2016 von Christine Horz
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