Telemedienauftrag: was dürfen ARD und ZDF im Netz?

Am 14. Juni einigten sich die Ministerpräsidenten der Länder auf einen Kompromiss und stellten Kernpunkte des neuen Telemediengesetzes vor, das Möglichkeiten und Grenzen der Öffentlich-Rechtlichen im Internet festlegt.

Kernpunkt der jahrelangen Auseinandersetzung war die Kritik der Verleger an der „Presseähnlichkeit“ der Internetangebote von ARD und ZDF. Ihre Textlastigkeit sei eine Konkurrenz für die Zeitungsverlage und würde ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen. Schließlich seien ARD und ZDF aus Rundfunkbeiträgen finanziert, so dass deren Angebote wettbewerbsverzerrend wirkten, so die Argumentation der Verleger.

Die Einigung von letzer Woche zielt im Kern darauf ab, dass die Öffentlich-Rechtlichen weniger textbasiert im Netz auftreten, dass die Löschfrist ihrer Inhalte von 7 Tagen entfällt und dass eine Schiedsstelle, bestehend aus Verleger- und SendervertreterInnen in strittigen Fragen vermitteln soll. Alle Seiten zeigten sich zunächst mit dem Kompromiss zufrieden – doch wie bewerten Medienexperten den neuen Telemedienauftrag der Sender?

Heiko Hilker,  Mitglied des MDR Rundfunkrats, sieht die Einigung kritisch, weil der Einfluss des Verlegerverbands BDVZ, in Person seines Vorstands Mathias Döpfner, deutlich erkennbar sei. Er verkündete das Ergebnis und wird gemeinsam mit den Sendern die Schiedstelle bestücken – allerdings sind rein rechtlich die Gremien der Sender dafür verantwortlich, über die Erfüllung des Funktionsauftrags zu wachen.

So sieht es auch die Medienfachpolitikerin Tabea Rößner (GRÜNE). Die Einigung sei verfassungswidrig und ein Verlust für die Bürgerinnen und Bürger.

„Das Festhalten am Verbot der Presseähnlichkeit manifestiert ein veraltetes Denkkonstrukt, das angesichts der heutigen und vor allem zukünftigen Realitäten einer konvergenten Mediennutzung keinerlei Gültigkeit mehr beanspruchen kann und daher endlich hätte abgelöst werden müssen. Dagegen greift man mit den nunmehr positiven Vorgaben, wie die Angebote inhaltlich und formal zu gestalten sind (nämlich Bewegtbild oder Ton), sogar noch in den Kern der Programmautonomie der Sender ein, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zentraler Bestandteil der Rundfunkfreiheit ist. Damit stellt sich die Frage, inwieweit diese Regelung verfassungsgemäß ist. Bedenklich ist auch die Einführung einer „Schlichtungsstelle“, die mit Vertreterinnen und Vertretern der Rundfunkanstalten sowie der Presse besetzt sein soll. Es ist geradezu absurd, dass in Zukunft Pressevertreter über die konkrete Umsetzung des öffentlich-rechtlichen Auftrags mitentscheiden dürfen.“

Leonhard Dobusch, Mitglied des ZDF Fernsehrats und Professor für Digitale Medien, benennt 8 Gründe für öffentlich-rechtliche Texte im Netz, u.a. Auffindbarkeit. Denn Suchmaschinen arbeiten textbasiert. Außerdem sei Journalismus aufgrund der Medienkonvergenz immer cross-medial. Er betrachtet das neue Gesetz als Kapitulation der Politik vor der Verlegerlobby.

Dem können wir nur beipflichten. Es wird immer deutlicher, dass die Politiker keine Innovation der Öffentlich-Rechtlichen befürworten, sondern für diese offenbar das langsame Sterben vorbereiten. Angesichts Fake News und Hetze im Netz wäre es ein Verlust für die Demokratie und letztlich uns alle. Rößner schlägt eine „Expertenkommission aus Medienrechtlern, Soziologen und Medienwissenschaftlern“ vor. „Mit einem Blick von außen könnte diese Expertenkommission endlich stellvertretend die Diskussion führen, die verhakte Situation zwischen Ländern und Sendeanstalten auflösen und jenseits deren Standort- oder Eigeninteressen Vorschläge für eine wirklich zukunftsgerichtete Reform erarbeiten.“ Eine sinnvolle Idee, die beispielsweise in Österreich und der Schweiz schon erfolgreich erprobt wird.

19. Juni 2018 von Christine Horz
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