#WDR: Fast 140 BewerberInnen für den Rundfunkrat – eine Einordnung
Nach Ablauf der Bewerberfrist für einen Sitz im WDR-Rundfunkrat veröffentlichte der WDR die Zahl der eingegangenen Bewerbungen. Die Rundfunkratsvorsitzende Ruth Hieronymi freut sich über „das große Interesse“. Erstmals in der Geschichte war die Mitgliedschaft von immerhin zwei Sitzen in einem öffentlich-rechtlichen Rundfunkgremium in Deutschland öffentlich ausgeschrieben. Auch die Vorsitzende des Publikumsrats hatte sich als Einzelperson beworben.
Nun sind 140 Bewerbungen sicher nicht wenig. Aber sehr hoch ist die Zahl nun auch wieder nicht. Hier wird deutlich, dass Medienpolitik, Aufsicht und Kontrolle des Rundfunks angesichts der Komplexität dieses Themas sicher keine Massenaufmerksamkeit erreichen kann. Das liegt wohl auch daran, dass Medienbildung in deutschen Schulen nicht zum Curriculum gehört – obwohl die Bevölkerung im Schnitt täglich ca. zehn Stunden mit Medienkonsum verbringt! BürgerInnen wissen einfach zu wenig über die Strukturen in den Sendern, das belegen auch viele Zuschriften, die uns erreichen.
Zudem blieb die Zahl der Ausschreibungen in dem insgesamt 60-köpfigen Gremium auf die vom Rundfunkrat selbst ausgeschriebenen zwei Sitze plus weiteren sieben Sitzen, die der Landtag bestimmt, beschränkt. Insofern kann dieses Verfahren als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden. Eine umfassende qualitative und quantitative Änderungen der Besetzung dieser wichtigen Gremien ist sie freilich noch nicht. Denn noch immer ist die Allgemeinheit von der Wahl der Gremienmitglieder ausgeschlossen.
Im übertragenen Sinne stellen Rundfunk- und Fernsehräte so etwas wie die Parlamente der Anstalten dar – warum nicht, wie in einer parlamentarischen Demokratie üblich, alle Mitglieder zur öffentlichen Wahl stellen? Voraussetzung dafür wären allerdings verstärkte Anstrengungen, die Bevölkerung über die Leistungen der öffentlich-rechtlichen Medien aufzuklären und sie viel umfassender über Senderstrategien zu informieren. Des weiteren wären sie in Entscheidungen einzubeziehen, so dass die BürerInnen die Möglichkeit hätten, eine Beziehung zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten aufzubauen – über die reine Anbieter-Konsumenten-Beziehung hinaus. Im Gegenzug müssten auch die BürgerInnen selbst ihre „Holschuld“ erfüllen und sich für das Feld Medienpolitik viel stärker interessieren und engagieren.
Es besteht die Hoffnung, dass nun das neu zusammengesetzte Gremium des WDR diese Fragen angeht, so dass weitere Demokratisierungsschritte folgen könnten. Diese Hoffnung ist nicht ganz unbegründet. Schließlich hätte noch vor einem Jahr niemand gedacht, dass es überhaupt einmal eine öffentliche Ausschreibung für Rundfunkratsmitglieder geben würde.