Beschwerde an den Fernsehrat des ZDF
Die Initiative für einen Publikumsrat hat Beschwerde an den Fernsehrat eingereicht. Wir sehen den ZDF-Staatsvertrag sowie die ZDF-Satzung im heute-journal vom 06.01.2015 verletzt. In einem Beitrag der Sendung wurde ein Interview mit einem „Michael Mannheimer“ geführt. Allerdings erfahren die Zuschauer nicht, dass Mannheimer ein Pseudonym ist, dass es sich um einen verurteilten Straftäter handelt, und dass er einen islamfeindlichen Internetblog betreibt.
ARD und ZDF: Wo bleibt die Hintergrundberichterstattung zu PEGIDA ?
Das Jahr beginnt mit einer Enttäuschung. Wieder einmal kommen die öffentlich-rechtlichen Medien ihrem Funktionsauftrag der umfassenden Information des Publikums nicht in ausreichender Weise nach.
Hier einige der wichtigsten Versäumnisse:
Zu spät!
Die ARD und ZDF Nachrichtensendungen zur Primetime begannen erst mit wochenlanger Verzögerung mit der Berichterstattung über die völkischen Aufmärsche. Erst am 8.12.2014 – sieben Wochen nach dem ersten Protestmarsch am 20.10.2014 – berichtet erstmals das ZDF in heute 19 Uhr sowie die ARD- tagesschau (20 Uhr) über Pegida. In der Anmoderation der ZDF-heute Sendung am 8.12.2014 (ab 5:50 Min) spricht Petra Gerster von einer „neuen Welle des Protests“ in Dresden. Der Einspieler von Carsten Thurau macht jedoch klar, dass schon „seit mehreren Wochen“ und in „vielen deutschen Städten“ Pegida-Ableger auf die Straße gehen. Der tagesschau ist ein Bericht über die Proteste in Dresden, nach ausführlichen Beiträgen über Steuern, CSU und kaputte Atommüllfässer, nicht einmal eine halbe Minute wert (8:06-8:30 Min). In einer Nachrichtenwelt, die von der Echtzeit der Informationsvermittlung lebt, ist es unverzeihlich, wenn die mit Rundfunkbeiträgen finanzierten und verfassungsmäßig geschützten Öffentlich-Rechtlichen nicht rechtzeitig berichten. Konkret: eine Nachricht verliert ihren eigentlichen Sinn, wenn sie zu spät kommt. Denn sie kann dann nicht mehr ihrem Zweck dienen, zum aktuellen Diskurs im demokratischen Rechtsstaat beizutragen. Diese verzögerte Berichterstattung bewirkt somit das Gegenteil von Aufklärung der Bevölkerung. Eine derartige Fehlleistung bleibt jedoch folgenlos für die verantwortlichen Redakteure. Hier zeigt sich überdeutlich das Versagen der bestehenden Kontrollgremien, denn sie sollen darüber wachen, dass öffentlich-rechtliche Medien ihre verfassungsmäßigen Aufgaben wahrnehmen. Einmal mehr wird klar, dass die Organisation des öffentlich-rechtlichen Systems stark reformbedürftig ist und dringend einer Kontrolle von außen bedarf.
Zu wenig!
Wo bleiben die ARD-Brennpunkte und ZDF-spezials? ARD und ZDF haben mit diesen Formaten die Möglichkeit tagesaktuelle Hintergrundinformationen zu liefern. Die wenigen verbliebenen und in der Vergangenheit beständig gekürzten Polit-Sendungen wie Monitor, Report, Frontal und Fakt bieten eine Ergänzung aber kein Ersatz. Hier schalten längst nicht so viele ein wie bei den Nachrichtensendungen zur Primetime und den direkt im Anschluss ausgestrahlten Brennpunkt und Spezial-Sendungen. Sicher kann ein Zuviel an Aufmerksamkeit dieser Bewegung weiter Zulauf bescheren. Durch eine komplexere Berichterstattung kann man dies jedoch umgehen – wie erleben Einwanderer und Flüchtlinge die Proteste, was ist mit ihrer Angst? Wieder einmal kommen sie in den Öffentlich-Rechtlichen Nachrichtensendungen kaum selbst zu Wort.
Zu oberflächlich
Wann erfahren wir mehr über die Organisatoren und Unterstützer der Aufmärsche? Wer sind die Teilnehmer und was motiviert sie, dort mitzumachen? Was sagt die Wissenschaft zur Entsolidarisierung und rechtem Gedankengut in der Mitte der Gesellschaft? Was raten NGOs?
Zu unkritisch!
Wann beginnen ARD und ZDF in ihren Nachrichtensendungen und im Brennpunkt und Spezial damit, die politischen Versäumnisse kritisch zu beleuchten? Welche Rolle spielt die Doppelstrategie der Regierung, selbst warnende Worte zu sprechen und gleichzeitig die CSU dafür einzuspannen, mit immer neuen Parolen am rechten Rand zu fischen? Wie verhalten sich Lokalpolitiker, wenn die Aufmärsche in ihren Städten stattfinden? Welche Strategie strebt die Bundesregierung an, um der Bevölkerung endlich die Bedeutung einer Einwanderungsgesellschaft in einer interdependenten Welt zu vermitteln?
Nachdenkliche Grüße zum Jahreswechsel
Wir möchten an dieser Stelle nicht auf die zukünftigen Aufgaben blicken – das werden wir Anfang des Jahres nachholen. Stattdessen nehmen wir zu einer besorgniserregenden Entwicklung in der Gesellschaft Stellung.
Die Medienberichterstattung in den letzten Wochen des Jahres war geprägt von den Protesten vermeintlicher Wutbürger gegen eine angebliche „Islamisierung des Abendlandes“ in Dresden und anderswo. Die Initiative für einen Publikumsrat verurteilt diese Aufmärsche entschieden und schließt sich der aktuellen Stellungnahme des Rats für Migration an, der die Unterstellung einer Islamisierung als rassistische Propaganda entlarvt. Auch der Kampfbegriff des Abendlandes beruht auf einer nicht minder femdenfeindlichen Fiktion.
Die Initiative für einen Publikumsrat setzt sich explizit dafür ein, dass religiöse Minderheiten und Einwanderer als Teile des Publikums öffentlich-rechtlicher Medien endlich Mitsprachemöglichkeiten bekommen und nicht nur einige Moderatorinnen und Moderatoren als visible minorities in Radio und Fernsehen zu hören und zu sehen sind. Um die pluralistische Gesellschaft auf allen Ebenen der Medienproduktion herzustellen, bedarf es einer (bisher fehlenden) umfassenden Strategie. Hier sind Medien und Politiker gleichermaßen gefordert.
Immer wieder ist jüngst von Politikern zu hören, dass die Politik, die Einwanderungsgesellschaft besser erklären müsse. Gerade Unionspolitiker haben jedoch in der Vergangenheit immer wieder die Spaltung der Gesellschaft in „wir“ und „sie“ zum Mittel der Politik (z.B. in Wahlkämpfen) gemacht. Die Medien haben diese (und andere) Inkonsistenzen zu spät, zu wenig hinterfragt und kritisiert, was ihren Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust beschleunigt. Dies hat auch zur Verunsicherung vieler Menschen hinsichtlich ihrer Einstellung zur Einwanderungsgesellschaft beigetragen.
Wir wünschen uns für 2015 mehr Weltoffenheit, mehr Qualität im Journalismus und allen, die uns unterstützen und uns wichtige Impulse für vor uns liegende Aufgaben gegeben haben einen guten Rutsch und ein gesundes und glückliches neues Jahr!
Bundesfinanzministerium stellt öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Frage
Das Bundesfinanzministerium prüft derzeit, ob die Rundfunkgebühr abgeschafft und durch einen Nutzungsbeitrag ersetzt werden könnte. Ein entsprechendes Gutachten seines Wissenschaftlichen Beirats hierzu wurde bereits im Oktober 2014 vorgelegt, doch erst jetzt durch die BILD-Zeitung an Heiligabend öffentlich bekannt. In dem Gutachten heißt es, der aktuelle Rundfunkbeitrag von 17,98 monatlich sei zu hoch. Deshalb sollte dieser durch Nutzungsbeiträge, ähnlich „dem Subskriptionsmodell im Zeitungsmarkt“ ersetzt werden. Noch wichtiger für die Allgemeinheit als 94€ Rundfunkbeitrag pro Haushalt und Jahr dürfte jedoch die inhaltliche Neuausrichtung sein, die dem Ministerium vorschwebt: öffentlich-rechtliche Anstalten sollten demnach nur noch ergänzen, was die Privaten nicht leisten, also beispielsweise politische Hintergrundberichterstattung, Kunst und Kultur. Man muss sicher infrage stellen, ob die Sender die Rundfunkbeiträge derzeit sinnvoll ausgeben.
Allerdings steht diese Forderung im Widerspruch zum verfassungsmäßig bestimmten Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen. Die Karlsruher Richter definieren eindeutig, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio eine „Grundversorgung“ mit Bildung, Kultur, Information und Unterhaltung für Alle leisten sollen. Zudem ist Rundfunk Ländersache. Der Vorschlag könnte also als reine Luftnummer abgetan werden. So ist er aber sicher nicht gemeint: Die klare Positionierung der Bundesregierung zu einer Angelegenheit, die nicht die ihre ist, kann in einer Zeit, da die Länder nach dem „ZDF-Urteil“ vom März 2014 über einen neuen Rundfunkstaatsvertrag beraten, durchaus als Einschüchterungsversuch gewertet werden. Es drängt sich die Frage auf, ob die Bundesregierung den umfassenden Funktionsauftrag der Öffentlich-Rechtlichen, der ja auch die Kontrolle der Politik beinhaltet, gerne deshalb beschneiden möchte, weil ein auf Steuergeld oder Subskriptionsbeiträge angewiesener Rundfunk nicht mehr staatsfern und unabhängig sein kann. Damit wird der Vorschlag des Bundesfinanzministeriums zu einem Angfriff auf den Qualitätsjournalismus, dem die öffentlich-rechtlichen Sender verpflichtet sind.
Alles in allem also eine Ungeheuerlichkeit und kein Weihnachtsgeschenk.
Siehe auch Diskussionsanstoß in der Hörercommunity des MDR.
Report Mainz: Polemik erreicht „Lisas Welt“
Ukraine-Berichterstattung im ZDF: Neuer Fall von journalistischem Versagen
Wie das Internet-Journal Telepolis berichtet, hat sich das ZDF wieder einmal einen „bedauerlichen Einzelfall“ von journalistischem Versagen geleistet. In den Fokus geraten ist ein Beitrag von Armin Coerper im heute-journal, in dem ein vermeintlicher Freiheitskämpfer, so Coerper, aus dem Zweiten Weltkrieg interviewt wird. Das Portal kann jedoch belegen, dass es sich allerdings um einen Faschisten und ein Mitglied der SS-Divison Galizien handelt.
Bedauerlicherweise haben die Öffentlich-Rechtlichen bisher noch keine erkennbaren Schlüsse aus der begründeten Kritik (damit sind ausdrücklich nicht die diffamierenden Äußerungen gegen einzelne Korrespondenten im Netz gemeint) an ihrer Berichterstattung gezogen, wie die Häufung dieser vermeintlichen „Einzelfälle“ deutlich macht.
Über die aktuelle Programmkritik hinaus müssen sich ARD und ZDF fragen lassen, wann sie endlich eine umfassende und zukunfstweisende Strukturänderung einleiten, die das Publikum auf einer nachhaltigen Ebene einbindet.
Medientipp: Publikumsbeteiligung und Zukunft des Fernsehens
Anlässlich des 30-Jährigen Bestehens von 3sat feierte Kulturzeit am frühen Abend ihren Sender mit einer Jubiläumsausgabe. Kulturzeit-Redakteur Cornelius Janzen denkt in seinem Beitrag über die „Zukunft des Fernsehens“ nach, die ohne eine größere Einbindung des Publikums kaum zu machen sei. Denn anders als bei der Einführung des Deutsch-Österreichisch-Schweizerischen Kooperationsangebot 3sat, führe die Digitalisierung und Diversifizierung der Angebote im Netz dazu, dass das Publikum zum „neuen Player“, zur „neuen Macht“ in der öffentlichen Debatte geworden sei, so der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen im Interview. Der Autor des Beitrags plädiert dafür, dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Zuschauer selbstverständlich am journalistischen Prozess teilhaben lassen. Eine nachhaltige und qualitative Erfassung der Publikumsakzeptanz und transparente Prozesse wären nötig, um die Qualität öffentlich-rechtlicher Angebote zu sichern. Dazu gehörten interaktive Formate und neue Strukturen der Mitbestimmung – diese seien momentan höchsten rudimentär vorhanden.
Leider wird diese Sendung, nicht wie üblich, in der darauffolgenden Nacht und am Folgetag wiederholt.
Deshalb hier in Ergänzung zum Kulturzeit-Beitrag: es wäre nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, wenn öffentlich-rechtliche Inhalte unbegrenzt im Netz verfügbar wären. Sollte der Filmbeitrag schon wieder aus der Mediathek gelöscht sein, wenn Sie darauf zugreifen möchten, können Sie vielleicht noch die (gekürzte) Textfassung lesen.
ARD: Einschränkung der Publikumskommentare geplant
Die ARD-Anstalten erwägen offenbar, die Online-Kommentarfunktionen einzuschränken, wie der Chefredakteur von Telepolis und Medienexperte, Florian Rötzer, in einem Beitrag berichete. Dem Publikum wird dadurch das Kommentieren journalistischer Online-Inhalte wieder genommen, das ihm das Internet überhaupt erst ermöglichte.
„Hintergrund ist, dass vor allem über den Ukraine-Konflikt oft scharfe Kritik an der Berichterstattung geübt wurde. Bei der ARD hat diese auch der Programmbeirat geäußert, der bei der Ukraine-/Russland-Berichterstattung Einseitigkeit gerügt hat, die Leser auch bei Medien wie der Süddeutschen, dem Spiegel oder der Zeit monierten (Ukraine-Konflikt: ARD-Programmbeirat bestätigt Publikumskritik). Seitdem wurde nicht nur gerne heftig moderiert oder gelöscht, sondern auch die Kommentarfunktion bei bestimmten Themen ganz abgeklemmt.“
Nun wollen die Redaktionen bestimmen, zu welchen Themen sie Kommentare überhaupt zulassen und welche davon veröffentlicht werden. In Anlehnung an den Begriff der „gelenkten Demokratie“, der häufig in Verbindung mit dem Regierungssystem in Russland verwendet wird, spricht Rötzer treffend von einer „gelenkten Öffentlichkeit“, die sich hier anbahnt. Die Kriterien, nach denen hier verfahren wird, sind zudem für das Publikum völlig intransparent.
„Die Oberhoheit soll also die Redaktion haben, die Leser sollen die Schäfchen sein, die nur zu Themen etwas sagen dürfen, die ihnen vorgesetzt werden. Und wenn es nicht gefällig ist, werden sie gleich mal zensiert. Da geht es in der gelenkten Demokratie Russlands noch liberaler zu, das Modell gleicht eher Diktaturen wie der von Nordkorea.“
In der Tat ist es frappierend: statt die große Zahl der Rückmeldungen zur Konfliktberichterstattung als Interesse des Publikums an politischer Berichterstattung zu deuten und darauf einen nachhaltigen Dialog aufzubauen, zieht der öffentlich-rechtliche Rundfunk stattdessen die falschen Schlüsse. Mit der Einschränkung der Kommentarmöglichkeit führt die ARD positive Entwicklungen an anderer Stelle, wie die geplante größere Transparenz der Gremienarbeit, ad absurdum.
Unerwähnt lässt Rötzer außerdem den wichtigen Aspekt, dass nicht etwa die unzähligen rassistischen Postings zu dieser Entscheidung der ARD geführt haben, die die Kommentarspalten ungehindert füllen, wenn kritisch zu Ausgrenzung und Rassismus Stellung bezogen wird (oder wenn auch nur Journalisten „mit Migrationshintergrund“ auf dem Bildschirm auftauchen). Hier gibt es bei den Öffentlich-Rechtlichen auch nach den NSU-Morden offenbar weder ein Bewußtsein, noch verbindliche Richtlinien für die Moderatoren der Kommentarspalten.
Zum Schluss greift Rötzer den Vorschlag der Initiative für einen Publikumsrat auf und plädiert dafür, die Vertreterinnen in den Gremien durch eine demokratische Wahl zu legitimieren:
„Bei der ARD sollten die Verantwortlichen noch einmal in sich gehen, bevor sie das „Publikum“ selbstherrlich weitgehend ausschließen. Das Publikum ist hier kein freiwilliges, sondern zwangsverpflichtet, die öffentlich-rechtlichen Medien zu finanzieren. Dafür könnten die Bürger nicht nur das Recht auf informationelle Grundversorgung durch Nachrichten, aber auch manchen teuren Unsinn erwerben, sondern auch den, ernst genommen zu werden und sich äußern zu dürfen – im Rahmen des Artikels 5 Grundgesetz, der nicht nur die Pressefreiheit, sondern auch die Meinungsfreiheit garantiert. Eine Möglichkeit wäre neben der Beibehaltung der Foren und damit der nicht präventiv regulierten Meinungsfreiheit auch, den Programmbeirat zu stärken. Bislang werden „Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen (z. B. Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Parteien, Frauen- oder Jugendverbände)“ zu Mitgliedern. Man könnte sich auch eine demokratische Legitimierung durch eine Wahl vorstellen.“
Medienpolitische Tagung in Hamburg: Machen die Gremien ernst mit der Transparenz?
Während der medienpolitischen Tagung von Verdi am 28. und 29. Oktober 2014 in den Räumen des NDR diskutierten Gremienmitglieder und Interessierte über „Mitbestimmung und Transparenz im öffentlich-rechtlichen Rundfunk“. Auch die Initiative für einen Publikumsrat hat an der Veranstaltung teilgenommen.
Sabine Nehls, Leiterin des medienpolitischen Ressorts beim DGB-Bundesvorstand, mahnte in ihrem Vortrag, es gehöre zum „ureigenen Interesse“ der öffentlich-rechtlichen Sender, in einen Diskurs mit dem Publikum zu treten. Allerdings scheint die geplante Transparenz der Gremienarbeit diesen Auftrag eher halbherzig umzusetzen. Wie der Vorsitzende der Gremienvorsitzendenkonferenz, Uwe Grund, während der Tagung deutlich machte, wollen die Gremien zukünftig besser über ihre Arbeit informieren. Aber ist Information schon Transparenz oder gar Dialog mit dem Publikum?
Wohl kaum. Denn noch immer tagen vielen Rundfunkräte hinter verschlossenen Türen. Von einer „Transparenzoffensive“ kann also keine Rede sein, wie der NRW-Staatskanzleichef Marc-Jan Eumann im ZAPP-Interview klarstellt. Statt eine Dialogplatform einzurichten, wie ihn der Publikumsrat fordert, die einen echten, nachhaltigen und öffentlich nachvollziehbaren Diskurs mit der beitragszahlenden Allgemeinheit ermöglicht, setzen die Gremien offenbar stärker auf Imagefilme im Internet und Information in Sozialen Netzen. Auch wenn im Internetauftritt am Rande eine E-Mail Adresse zur Kontaktaufnahme mit den Gremien eingeblendet ist, verstärkt dies nur den Eindruck, dass die Gremien weiterhin von einer Hol-Schuld des Publikums ausgehen – und nicht von ihrer Bring-Schuld mit dem Publikum nachhaltig (und nicht nur punktuell in Sozialen Netzwerken) zu kommunizieren.
Nach Einschätzung von Wolfgang Jüttner, Landesvorsitzender Rundfunkrat Niedersachsen NDR, müssen zivilgesellschaftliche Gruppen wie der Publikumsrat den Druck auf die Gremien und öffentlich-rechtlichen Medien erhöhen.
Machen wir gerne! Deshalb fragen wir den GVK-Vorsitzenden Uwe Grund sowie die Intendanten öffentlich-rechtlicher Medien: Wie und auf welche Weise wollen die Gremien und der ÖRR zukünftig mit dem Publikum in einen echten, nachhaltigen und transparenten Dialog treten? Wie und auf welche Weise wollen sie das Publikum als stakeholder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an Entscheidungsprozessen zu Programm- und Personalfragen teilhaben lassen?
Wir freuen uns auf Ihre Antwort!
Und auch die Politik möchten wir gerne in die Pflicht nehmen. Wir sehen es als unabdingbar an, eine breite öffentliche Debatte über die Zusammensetzung der Rundfunkgremien anzustoßen – das „auskegeln“ derselben durch vier bis fünf „Staatskanzlisten“ hinter verschlossenen Türen wird dem verfassungsmäßigen Auftrag und der Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht gerecht. Es zeugt denn auch von einem mindestens eigenartigen Demokratie- und Öffentlichkeitsverständnis, dass der Chef der NRW-Staatskanzlei Marc-Jan Eumann (SPD) auf die Frage des Publikumsrats, warum die Gremienzusammensetzung nicht öffentlich diskutiert wird antwortete, seine Öffentlichkeit sei das Parlament und dem berichte er regelmäßig über den Fortgang der Überlegung zur Gremienbesetzung. Na dann…
ZDF-Gremien: Geheime Beratungen über Zusammensetzung
Laut Printausgabe der heutigen FAZ (Seite 13, Feuilleton, Medien) „kegeln“ die Ministerpräsidenten der Länder weiter hinter verschlossenen Türen die Zusammensetzung der ZDF-Gremien aus. Offenbar soll dabei ein abgespecktes „kleines Körbemodell“ zum Tragen kommen. Das bedeutet, dass die Bundesländer ihre Sitze unverändert behalten, hinzu kommen drei Vertreter/innen der Länder und eine/r des Bundes (20). Den entsendeberechtigten gesellschaftsrelevanten Gruppen wie Kirchen und Gewerkschaften sollen 24 statt wie bisher 27 Sitze zustehen, so dass 44 von den geplanten 60 Sitzen belegt wären. Bleiben nunmehr 16 Sitze (statt wie zuvor verlautbarten 13), die vielfältig besetzt werden sollen. So weit, so gut. Bei genauerer Betrachtung ist der Plan jedoch gleich aus zwei Gründen kritikwürdig: zum einen werden diese 16 Sitze – die etwa an Migranten oder „LSBTTIQ (homosexuell-bisexuell-transsexuell-transgender-intersexuell und queer)“ vergeben werden können, wie die FAZ zitiert – alleine von den Bundesländern bestimmt. Mehr Vielfalt als bisher könnte kommen, allerdings wollen sich die Landesregierungen vorbehalten, wen sie entsenden. Statt einer breiteren öffentlichen Debatte über die Zusammensetzung der Gremien sowie die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Wahl dieser Vertreter/innen wird die Macht der Landesregierungen durch die Hintertür erweitert.
Zweitens moniert die Grünen-Politkerin Tabea Rößner zu recht, dass über die Gremienzusammensetzung hinter verschlossenen Türen entschieden wird. Die gesellschaftspolitische Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland ist viel zu wichtig, als das die Besetzung der Gremien alleine von einer handvoll Ministerpräsident/innen entschieden werden darf. Die Staatskanzleien und Ministerpräsident/innen sollten ein ureigenes Interesse daran haben, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen und eine öffentliche Debatte über die Zusammensetzung der Gremien zuzulassen, denn sonst, so Rößner, „sitzen wir bald wieder in Karlsruhe“.