#Terrorberichterstattung: ARD-Chefredakteur fordert Umdenken der Medien

In einem Interview mit der FAZ  äußert sich Kai Gniffke, Chefredakteur für ARD-Aktuell über die Terrorberichterstattung. Für ihn geht es nicht darum, das Hase- und-Igel-Spiel mit den sozialen Netzwerken aufzunehmen – aktueller als live ginge nicht. Die ARD würde auch laufende Sendungen durch Sondersendungen unterbrechen. Wichtiger sei die Authentifizierung des Materials und der Umgang mit der schieren Masse an Informationen.  Selbstkritisch fordert er ein Umdenken in der Terrorberichterstattung.

„Wir müssen unsere gesamte Terrorberichterstattung grundlegend überdenken und kritisch hinterfragen. Denn mit jedem Verbreiten von grauenhaften Bildern verstärken wir die Wirkung des Terrors und machen uns ungewollt zu Helfershelfern der Terroristen.“

Selbsterkenntnis ist eine gute Sache. Aber vielleicht sind es ja nicht nur die grauenhaften Bilder, die diesen Effekt erzielen, sondern der Fokus und der Umfang der Terrorberichterstattung. Ohne weiter zu recherchieren, wurde sofort und geradezu reflexhaft die Lesart der Politik übernommen, dass es sich bei dem Täter von Nizza um einen Mann handelt, der sich innerhalb von einer Woche radikalisiert hat. Guter Journalismus sollte auch die Möglichkeit in Erwägung ziehen, dass die demütigenden Lebensumstände auch einen erweiterten Suizid im Sinne einer Amokfahrt plausibel erscheinen lassen. Oder die Blitz-Radikalisierung nur das fehlende Quentchen Legitimität für diese grauenvolle und lange geplante Tat lieferte. Es gibt offenbar eine Grauzone zwischen Amoklauf und Terrorismus, über die es zu berichten lohnt. Auch der Angriff in einem Zug nahe Würzburg macht dies deutlich. Nicht alle Täter mit muslimischen Wurzeln sind gleich Attentäter. Durch diese Reflexhaftigkeit und mediale Aufmerksamkeit fühlen sich Terroristen bestärkt, sich zu dem Anschlag zu bekennen – obwohl bis heute der genaue Hintergrund unklar ist. Gleichzeitig wird eine immer größere Deckungsgleichheit zwischen Muslimen und Gewalt suggeriert, die allen bekannten Daten und Studien widerspricht, aber Terroristen zupass kommt, die die Gesellschaft spalten wollen.

Weniger, gründlicher und professionell distanzierter wäre wirklich mehr. Hier müssen die Öffentlich-Rechtlichen noch nachbessern, damit sie sich von der Masse der Information und Desinformationen im Netz deutlich abheben und so verlorengegangenes Vertrauen der Zuschauer zurückgewinnen können.

20. Juli 2016 von Christine Horz
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