Der Rundfunkbeitrag: Kontroversen, Reformen, Notwendigkeit
Seit seiner Einführung im Jahr 2013, was ebenfalls der Auslöser für die Gründung der Initiative Publikumsrat war, ist der Rundfunkbeitrag in Deutschland ein kontrovers diskutiertes Thema–wie zuvor schon die Rundfunkgebühr, die geräteabhängig erhoben wurde. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems (ÖRR) durch eine pauschale Abgabe pro Haushalt – unabhängig davon, ob man ÖRR empfängt oder nicht – hat immer wieder zu Debatten über die Höhe, Legitimität und Notwendigkeit geführt. Diese Diskussionen spiegeln die sich wandelnde Medienlandschaft und die vielfältigen Ansprüche der Bevölkerung wider.
Höhe des Rundfunkbeitrags
Eine zentrale Frage in der Debatte ist die Höhe des Rundfunkbeitrags. Aktuell beträgt diese 18,36 Euro pro Monat, den etwa 46,1 Millionen Haushalte in Deutschland zahlen. (Ausnahmen gibt es für Menschen, die in Pflegeheimen wohnen und diejenigen, die Sozialleistungen empfangen. Wenn sie oder ihre Betreuungsbeauftragten über das KnowHow der Antragstellung verfügen.) Argumentiert wird jedoch, dass der Beitrag zu hoch sei und eine Belastung für Haushalte darstelle, insbesondere für Geringverdiener. Befürworter hingegen betonen, dass der Beitrag notwendig sei, um die Qualität und Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen.
Legitimität und Akzeptanz
Kritiker des ÖRR stellen gerne die Legitimität des Rundfunkbeitrags in Abrede. Einige Bürger und Organisationen haben gegen die Pauschale geklagt und die Frage aufgeworfen, ob sie gerechtfertigt sei. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist uneinheitlich, wobei viele die Vielfalt und Qualität des öffentlich-rechtlichen Programms schätzen, während andere den Beitrag als ungerechtfertigte „Zwangsabgabe“, teilweise sogar als zusätzliche Steuer empfinden. Generell stößt der Rundfunkbeitrag auf nicht viel Begeisterung. Eine Umfrage vom 16.06.2023, von merkur.de, hat sich die Bereitschaft zur Zahlung angesehen. Mit folgendem Ergebnis: Nur 13 Prozent gehen mit der jetzigen Situation konform!
• 38 Prozent wollen gar keinen Rundfunkbeitrag zahlen
• 14 Prozent würden weniger als fünf Euro bezahlen
• 18 Prozent fänden einen Rundfunkbeitrag zwischen fünf und zehn Euro akzeptabel
• 11 Prozent wollen weniger als 15 Euro zahlen
• 7 Prozent finden einen Betrag zwischen 15 und 18,35 Euro zumutbar
• 5 Prozent halten den aktuellen oder einen höheren Beitrag für in Ordnung
Die rechtliche Grundlage
Als rechtliche Grundlage der Finanzierung dienen insbesondere drei Staatsverträge:
• Das gesamte Verfahren der Ermittlung des Finanzbedarfs sowie die Höhe des Rundfunkbeitrags sind im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag (RFinStV) geregelt und festgehalten.
• Im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (RBStV) wird geregelt, dass die neun Landesrundfunkanstalten der ARD zusammen mit dem ZDF und dem Deutschlandradio den Beitrag erheben dürfen. Von den aktuell 18,36 Euro gehen 12,78 Euro an die ARD, 4,69 Euro an das ZDF, 0,54 Euro an das Deutschlandradio und 0,35 Euro an die Landesmedienanstalten. Der Beitragseinzug erfolgt für alle durch den Beitragsservice.
• Der Medienstaatsvertrag (MStV) wiederum umfasst bundeseinheitliche Regelungen für das Medienrecht in Deutschland. Somit regelt er u.a. den gesetzlichen Auftrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllen muss, sowie das duale Rundfunksystem, das sich aus privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern zusammensetzt.
Alle drei Staatsverträge wurden von den Ministerpräsidenten der Bundesländer einstimmig beschlossen und von den jeweiligen Landtagen der Bundesländer durch Zustimmungsgesetze genehmigt.
Das Finanzierungsmodell: Solidaritätsprinzip
Vor allem in Bezug auf das Finanzierungsmodell hagelt es viel Kritik seitens der Öffentlichkeit. Oft wird sich beschwert, dass man die Rundfunkmöglichkeiten nicht nutze, aber den Rundfunkbeitrag nicht kündigen könne, was bei Streamingdiensten wie Netflix und Co. möglich sei. Doch die ÖRR lassen sich nicht mit diesen Streaming Anbietern vergleichen. Thomas Bellut, ZDF-Intendant aus Mainz, erklärt: „das Abo-Modell funktioniert nur, wenn man eine bestimmte Ware ans Publikum bringen will, dafür braucht es ein Kommerz-Modell, denn man will Gewinne machen. Das ist das Ziel von Streamingdiensten, aber nicht von den öffentlich-rechtlichen Medien. Der ÖRR will die Gesellschaft zusammenbringen, alle Facetten ablichten und in der Breite für alle da sein. Nicht nur für eine gewisse Interessensgruppe. Um das zu erreichen, gibt es dieses solidarische Finanzierungssystem: Rundfunkbeitrag.“ Daher finanzieren alle in Deutschland mit etwa 8 Milliarden Euro pro Jahr ein Gesamtsystem mit vielen tausend Stunden Programm, von dem jeder einen kleinen Teil nutzt. Pro Jahr sind das etwa 170.000 Stunden TV und 500.000 Stunden Radio. Daher resultiert unser Rechtsanspruch auf Erfüllung des Programmauftrags.
Samira El Ouassil, Journalistin und Kolumnistin aus München, ergänzt: „Zudem müssen die ÖRR viel mehr bezahlen. Neben den Sportrechten sind auch Auslandskorrespondenten wahnsinnig teuer und einige redaktionelle Netzwerke sind kostenintensiv. Das sind auch alles Kosten, die ein Amazon Prime oder Netflix-Abo nicht haben.“ Zusätzlich sind die Inhalte anders: Im Fokus der ÖRR steht das Informieren, bei den Streamingdiensten das Unterhalten. Soweit der Idealtypus, denn zum ÖRR gehört natürlich alles. Tatsächlich aber geht es um die Frage, wie können Medien finanziert werden, damit sie wirklich unabhängig berichten?
Darum stellen sich vielleicht vielmehr die Frage, wie gut der ÖRR seine Aufgaben erfüllt, als dass er dafür auch Finanzmittel braucht.
Transparenz des Geldes
Der Rundfunkbeitrag unterliegt der Prüfung der KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs) Ihre Aufgabe ist es, unter Beachtung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten den von den Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf fachlich zu überprüfen und zu ermitteln. Im Rahmen ihrer Aufgabe ist die KEF berechtigt, von den Rundfunkanstalten Auskünfte über deren Unternehmen, Beteiligungen und Gemeinschaftseinrichtungen einzuholen. „Jedoch sollte noch die Transparenz geschaffen werden, mit den Nutzern in den Dialog getreten werden, um deutlich zu machen, für was genau die Rundfunkbeiträge eigentlich ausgegeben werden“, so Dr. Christine Horz, Medien- und Kommunikationswissenschaftlerin und Professorin der TH Köln. Ein wichtiger Verbesserungsvorschlag im Umgang mit dem Rundfunkbeitrag. Auch der Zukunftsrat hakt an dieser Stelle ein und fordert klar eine Verlegung auf mehr Umsetzungskontrolle als nur die Zuweisung von Mitteln im Vertrauen auf deren adäquate Nutzung.
Was sichert der Rundfunkbeitrag?
Der Rundfunkbeitrag ist wichtig, denn er macht es möglich, dass die Öffentlich-Rechtlichen ihren Auftrag unabhängig erfüllen können. Dieser besteht darin Inhalte in den Bereichen Information, Bildung, Beratung, Kultur und Unterhaltung zu ermöglichen und dadurch einen Beitrag zur Sicherung der Meinungsvielfalt und damit zur Öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Das Problem liegt jedoch heutzutage darin, dass dieses gesamtöffentliche Angebot des ÖRR nicht mehr erkannt wird, weil immer mehr Inhalte in Social media Feeds eingebettet sind. Der Rundfunkbeitrag fließt ja nicht nur in die klassischen Sender von Fernsehen (ARD, ZDF) und (Deutschland-)Radio, sondern die bezahlten Inhalte sind ebenfalls weit verbreitet im Internet u.a. auf YouTube in Form von Nachrichteninhalten zu finden, auf Twitter, Instagram und Facebook werden Dinge diskutiert, auf der Tagesthemen Seite sind zu nachzulesen, Talk-Shows und durch den Rundfunkbeitrag finanzierte Serien sind ebenfalls in den Mediatheken zu finden. Die Inhalte des ÖRR sind somit weit verstreut und jeder nutzt sie in gewissen Bereichen regelmäßig, manchmal ohne sich dessen bewusst zu sein – z.B. Verkehrsfunk. Gesamtgesellschaftlich werden damit auch u.a. Kinofilme, Gemeinschaftsproduktionen und Musikveranstaltungen finanziert. Diese Vielfalt ist nicht zu unterschätzen und liefert einen wichtigen Beitrag in unserer Demokratie, was ebenfalls das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.07.2021 unterstreicht. Genauer heißt es, dass der Rundfunkbeitrag notwendig sei, damit der Grundrechtsschutz gewährleistet werden könne.
Reformvorschläge und Diskussionen
Der Zukunftsrat empfiehlt eine grundlegende Veränderung im Finanzierungssystem der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Statt einer vorausgehenden Bewertung der Mittelvergabe soll diese nun auf Basis der tatsächlichen Leistung erfolgen. Dabei würde eine unabhängige Kommission wie die KEF klare Kriterien verwenden und bei unzureichender Erfüllung des Auftrags Abschläge bei den Finanzzuweisungen vornehmen können. Diese Umstellung des Verfahrens auf eine Ex-post-Bewertung würde die Beitragspflicht der Haushalte beibehalten und gleichzeitig sicherstellen, dass die Mittel effektiv genutzt werden. Die Ergebnisse dieser Evaluation sollen öffentlich zugänglich sein, was zur Förderung der Akzeptanz beitragen kann. Zudem schlägt der Zukunftsrat vor, den Rundfunkbeitrag an das aktuelle Beitragsaufkommen zu indexieren, um politische Kontroversen zu vermeiden und den Ländern Flexibilität bei der Nutzung von Einsparungen zu ermöglichen. Dies würde auch eine Einflussnahme durch staatliche Finanzierung verhindern und die Unabhängigkeit des Rundfunks sicherstellen.
Die Zukunft des Rundfunkbeitrages
Es bleibt abzuwarten und sich einzumischen, was weiterhin passiert. Zudem ist die Medienlandschaft stetig im Wandel. Neue Technologien, die Digitalisierung und die große Unzufriedenheit, die die Gesellschaft kennzeichnet, stellen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor Herausforderungen und werfen unter anderem die Frage auf, wie sein Finanzierungsmodell zukünftig gestaltet sein sollte. Vielleicht sollten die ÖRR eigene Online-Plattformen auflegen, statt ihre Inhalte den intermediären Plattformen zu schenken? Hieran müssten auch die Bildungsministerien Interesse haben, die eine Sorgfaltspflicht im Datenschutz gegenüber Lehrkörper und besonders Schülern haben.
Jedoch sollte der Rundfunkbeitrag nicht im Themenfokus der heutigen Debatten stehen. Die Kaprizierung auf den Rundfunkbeitrag, ein von mancher politischer Seite bevorzugtes Spiel, zielt darauf ab, den ÖRR zu schwächen oder gar abzuschaffen, weshalb es in der Reformdebatte sicher zielführender wäre, über Inhalte und Qualitätskontrolle, Partizipation und Transparenz zu diskutieren, statt über eine Differenz von Cent-Beträgen.