#Medienkritik: massenmediale Berichterstattung zu eng an Politik angelehnt
Der rennomierte Journalist David Goeßmann geht in seinem ausführlichen Interview mit Jens Wernicke in den Nachdenkseiten auf die Berichterstattungsstrategien der Massenmedien ein. Goeßmann bezieht sich auf seinen Beitrag im Buch ARD, ZDF & Co. Er differenziert anhand von Beispielen wie der Griechenland-Krise damit die platten rechstnationalen „Lügenpresse“-Vorwürfe und plädiert für eine sachliche und gut fundierte, progressive Medienkritik. Diese sei nötig, da Massenmedien alleine heute nicht mehr ausreichten, um ein umfassendes Bild der Geschehnisse zu bekommen, weil sie sich zu eng an die politische Großwetterlage anlehnen, so Goeßmann. Die Qualität würde dabei meist auf der Strecke bleiben. Gerade im Hinblick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist dieser Befund mehr als bedenklich, soll er doch im Idealfall die mediale Grundversorgung sicherstellen. Goeßmann fordert die Zivilgesellschaft auf, selbst aktiv zu werden und sich mit sachlichen Argumenten in die Debatten einzubringen. Alternative Medien seien eine Möglichkeit, eine kritische Haltung einzunehmen und die Meinungsbildung zu bereichern.
#Köln: Widersprüche der Polizeiaussagen
Leider wird dieser Tage offenbar nur ein öffentlich-rechtlicher Sender, das Radioprogramm des Deutschlandfunks seinem Auftrag nach Aufklärung und Information ansatzweise gerecht. Wie dieser nach eigenen Recherchen berichtet, stehen die Aussagen der Einsatzkräfte in der Sylvesternacht im Widerspruch mit den Tatsachen. So war in Polizeiberichten u.a. davon die Rede, dass Flüchtlinge grinsend ihre Aufenthaltstitel zerrissen hätten – das geht aber gar nicht, da Flüchtlinge erst nachdem sie als Asylbewerber anerkannt sind, einen Aufenthaltstitel bekommen. Das Zerreissen dieses Dokuments sei zudem schwierig – es besteht aus einer Plastikkarte im Scheckkartenformat, ähnlich dem Personalausweis.
#Publikumsbeschwerden: Buch gibt aufschlussreiche Einblicke in das Schweizer Modell
Die Initiative für einen Publikumsrat fordert seit langem ein anderes Beschwerdemanagment der öffentlich-rechtlichen Sender. In Deutschland dauert das Verfahren sehr lange, da eine formelle Beschwerde zunächst an den Intendanten eines öffentlich-rechtlichen Senders geleitet wird. Erst wenn man mit seiner unzufrieden ist und eine erneute schriftliche Bekräftigung der Beschwerde formuliert, wird diese dem zuständigen Rundfun- bzw. Fernsehrat zugeleitet. Das ist unverständlich, umständlich und soll wohl die Zuschauer auf Distanz zum Sender halten. Die in die Anstalten eingegliederten Zuschauerredaktionen stellen naturgemäß keine unabhängige Beschwerdestelle dar.
Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel Schweiz: dort gibt es sowohl unabhängige Ombudsleute für Zuschauerbeschwerden als auch eine Unabhängige Beschwerdeinstanz, kurz: UBI. Diese hat sogar die Befugnis rechtskräftig zu urteilen und fehlerhafte journalistische Berichterstattung zu bestrafen, wenn sie eine Beschwerde für begründet erachtet.
Der Medienwissenschaftler Prof. em. Roger Blum hat nun ein Buch mit dem Titel „Unseriöser Journalismus? Beschwerden gegen Radio und Fernsehen in der Schweiz“ im UVK-Verlag veröffentlicht, das interessante Einblicke in die Beschwerdepraxis im Nachbarland Schweiz gibt. Dort wird ausführlich auf begründete und abgelehnte Beschwerden eingegangen, auch wie die UBI jeweils ihr Urteil im Sinne der Medienethik begründet.
#ÜbergriffeinKöln: es macht keinen Unterschied, wer die Taten begangen hat
Seit einigen Tagen weisen wir darauf hin, dass es keinen Unterschied macht, wer sexuelle Übergriffe und andere Straftaten begeht. Deshalb ist auch die kontinuierliche Markierung der Tatverdächtigen als „Täter mit Migrationshintergrund“ überflüssig. Auch öffentlich-rechtlichen Medien wie das ZDF konstruieren diese mit und bringen die Taten damit mehr oder weniger subtil mit dem Islam in Verbindung („Nordafrikaner, Araber“). Es schwingen kulturrassistische Überzeugungen mit, das der Islam besonders frauenfeindlich sei und dadurch die Täter quasi natürlich im „islamischen Kulturkreis“ verortet werden. Dies widerspricht nicht nur den Tatsachen und grundlegenden journalistischen Grundsätzen, sondern trägt auch kaum dazu bei, dass sich lange Ansässige und Einwanderer unvoreingenommen begegnen. Dabei sollen öffentlich-rechtliche Medien genau dafür sorgen. Wie heißt es beispielsweise in § 3 der Satzung des ZDF:
„In den Angeboten der Anstalt soll den Fernsehteilnehmern und den Nutzern von Telemedien in ganz Deutschland ein objektiver Überblick über das Weltgeschehen, insbesondere ein umfassendes Bild der deutschen Wirklichkeit, vermittelt werden. Die Angebote sollen eine freie individuelle und öffentliche Meinungsbildung fördern.
(2) Das Geschehen in den einzelnen Ländern und die kulturelle Vielfalt Deutschlands sind angemessen in den Angeboten darzustellen.
(3) Die Anstalt hat in ihren Angeboten die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. […]“
Die Gründerin des Twitter-Forums #Aufschrei, Anne Wizorek, stellt nun im Interview mit der FR infrage, warum die Herkunft der Tatverdächtigen in diesem Fall unnötigerweise hervorgehoben wird. So würden beispielsweise auf dem Münchner Oktoberfest durchschnittlich zehn Vergewaltigungen gemeldet, wobei die Dunkelziffer auf 200 geschätzt wird. Sexismus durchziehe die gesamte Gesellschaft, sexualisierte Gewalt sei „schon längst da“ und deshalb kein Phänomen, dass Zuwanderer aus der islamischen Welt hierher gebracht hätten. Die rassistische Grundstimmung würde dadurch weiter angeheizt.
#ZDFheutejournal spielt Fremdenfeinden in die Hände
Guter Journalismus solle sich nicht mit einer Sache gemein machen, sagte einmal der Journalist Hans-Joachim Friedrichs. Davon hat das ZDF offenbar noch nichts gehört. Das ZDF-heute journal vom 6.1.2016 beginnt mit dem Aufmacher „Folgen der Sylvesternacht“, der erneut auf die Vorfälle von Köln eingeht. Der Moderator Klaus Kleber verknüpft gleich im ersten Satz auf subtile Weise die mutmaßlichen Täter mit Flüchtlingen, in dem er fragt, ob nur die „Willkommenskultur oder die Polizei“ versagt habe. Kleber zitiert „übereinstimmende“ Feststellungen der Opfer, dass es sich um „nordafrikanische Täter, meist der deutschen Sprache nicht mächtig“ handele.
In dem folgenden Stück von Dorte Ferber widerspricht dann der Bundesinnenminister de Maiziere, der einräumt, dass die Behörden „noch kein klares Lagebild von Köln, was die Täterschaft angeht“ haben. Der Beitrag schließt mit dem Satz: „Heute gibt es erstmal mehr Fragen als Antworten“. Und was tut Klaus Kleber? Nach diesen „spektakulären Straftaten“ würden Forderungen nach der vollen Härte des Gesetzes laut und dieses Mal stünden Flüchtlinge im Visier – „jedenfalls Ausländer, die Gastrecht genießen in Deutschland“. Wie bitte? Das Asylrecht ist kein Gastrecht, sondern ein Grundrecht und ist als solches im Grundgesetz verankert. Kleber zitiert dann die Meinung „vieler“ (die rechten Hetzer im Netz? Oder doch nur die CSU?) : „Wer dermaßen gegen Recht und Ordnung der Gastgeber verstößt, solle nicht bleiben dürfen.“ Doch nach Lage der Gesetze sei das nicht so einfach.
Im folgenden Einspieler von Sarah Tacke und Joachim Pohl dann zum Mitschreiben ein eingeblendetes, verschriftlichtes Zitat des CSU-Vorsitzenden Andreas Scheuer (min. 4:28): „Wenn Asylbewerber oder Flüchtlinge solche Übergriffe begehen, ist das ein eklatanter Missbrauch des Gastrechts und kann nur ein sofortiges Ende des Aufenthalts in Deutschland zur Folge haben“. Statt diese Aussagen zu prüfen und zu hinterfragen (Flüchtlinge stehen gar nicht als Täter fest, Gastrecht: siehe oben), erfährt der Zuschauer wie lange es dauert, bis man (endlich?) einen Asylbewerben abschieben kann – trotzdem schaffe man es oft nicht, „die Person zurückzuüberstellen“, wie eine Anwältin weiß. Auch durch weitere Interviews wird er Eindruck erweckt, als seien deutsche Gesetze zu lax oder würden nicht umgesetzt. Und dann wird zusammengeführt, was bislang eher subtil vermittelt wurde, als die Autorin im Beitrag von den „Tätern der Kölner Sylvesternacht“ sprich, die man „also nicht ohne weiteres abschieben kann“.
Doch das war noch nicht alles. Klaus Kleber nimmt das Thema Flüchtlinge als Überleitung zur CSU Klausur in Wildbad Kreuth auf und wiederholt noch einmal die Forderungen Seehofers zur Zuzugsbegrenzung etc. Anschließend Kampf gegen Islamisten im Ausland und Anschläge auf Charlie Hebdo.
Schon an dieser Stelle der Sendung wird deutlich, was in der Medien- und Kommunikationswissenschaft als „Sinn-Induktion“ bezeichnet wird. Sabine Schiffer erläutert in einem Video ausführlich, um was es dabei geht, nämlich einen gemeinsamen Bezug einzelner Themen anzunehmen, die zusammen präsentiert werden: Flüchtlinge-Straftäter-Vergewaltiger-Islamisten. Da in der Medienberichterstattung nichts zufällig passiert, Medien also ein Produkt von Selektionsprozessen sind, muss angenommen werden, dass die Sinn-Induktion auch in diesem Fall Teil einer Medienstrategie ist.
Nach einem Bericht über Nord-Korea dann wieder Kritik an der Flüchtlingspolitik von Merkel – dieses Mal aus dem Mund von FDP und AfD, laut Kleber die einzigen Parteien, die gegen Merkel opponieren würden (CSU – schon vergessen?). Dann ein O-Ton von Christian Linder (FDP) – Merkels Flüchtlingspolitik habe „Europa ins Chaos gestürzt“ (ach – nicht die Finanzkrise? Oder rechtsradikale Parteien, die in 17 EU Ländern mitregieren?). Dann wiederholt auch die Autorin dieses Einspielers, dass die „Übergriffe in der Sylvesternacht durch Ausländer“ verübt waren – obwohl doch selbst de Maiziere keine Erkenntnisse zu den Tätern hat.
Und dann zum Abschluss noch einen O-Ton von Markus Frohnmeier (Afd): „Wir haben ja jetzt in Köln gesehen, wohin diese ungesteuerte Zuwanderung, die als Asylpolitik verkauft wird, mittlerweile führt. Überall da, wo die Allparteien keine Lösung mehr anbieten, hat die AfD eine Antwort.“
Verantwortungsloser geht Journalismus kaum. Hier hat das ZDF als öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt deutlich gegen medienethische und eigene Programmgrundsätze verstoßen, was als Anlass für eine Beschwerde an den Fernsehrat ausreicht. Das ZDF hat schließlich den Auftrag zum interkulturellen Zusammenleben beizutragen und objektiv zu berichten und wird dafür mit Rundfunkbeiträgen finanziert.
Übrigens: zum Vergleich seien die ARD-tagesthemen vom 6.1.2016 empfohlen, die in diesem Fall deutlich objektiver berichteten.
#Kriminalitätsberichterstattung: #NeueDeutscheMedienmacher veröffentlichen Glossar
Die Berichterstattung in den Medien über die sexuellen Übergriffe in der Sylvesternacht in Köln stößt auf weitere Kritik. Vor allem die Nennung der Herkunft der mutmaßlichen Tatverdächtigen wird als überflüssige Markierung kritisiert, die zu Vorurteilen gegenüber Minderheiten und Einwanderern führen kann. Die Neuen Deutschen Medienmacher haben nun ihr aktuelles Glossar zu einem verantwortlichen Umgang mit Informationen in der Einwanderungsgesellschaft veröffentlicht, das sich vorwiegend an Journalisten wendet.
Doch auch MediennutzerInnen kann es als hilfreiches Instrument dienen, um die Qualität der Medienberichte besser beurteilen zu können.
#Einschaltquoten: Öffentlich-rechtliche TV-Sender weiterhin zu quotenfixiert
Über die Ausweitung des Messschemas der Fernseheinschaltquoten hatten wir kürzlich berichtet, wobei die erstmalige Einbeziehung der Migranten im Fokus stand. An die grundsätzlichere Kritik der Quotenfixierung der öffentlich-rechtlichen Medien schließt nun das Interview des Vorsitzende der AG Dokumentarfilm, Thomas Frickel, im Deutschlandradio Kultur an. Frickel weist dezidiert darauf hin, dass die Quote gerade für Dokumentarfilme kein geeignetes Mittel sei, die Akzeptanz der ZuschauerInnen zu messen. Dokumentationen würden auf verschiedenen Wegen wiederholt und ausgespielt, was auch die neue AGF-Messung nicht berücksichtige. So kommt ein schlechteres Quotenergebnis bei der punktuellen Messung heraus, was aber die langfristigen Sehschemata der ZuschauerInnen aufgrund der Nutzung von Mediatheken, downloads in Sozialen Medien etc. kaum abbildet.
Für Frickel sind die Haushaltsabgabe und der Auftrag zur Grundversorgung die schlagenden Argumente (wenn es derer noch bedurft hätte), warum die Sender von der Quote abrücken sollten:
„Selbst, wenn Sie zum Amtsgericht gehen und einen heiligen Eid darauf leisten, dass Sie in Ihrem Leben nie ARD und ZDF gesehen haben, müssen Sie ja bezahlen. Und warum müssen Sie das? Finde ich übrigens eine wichtige und gute Idee, weil allein das Angebot eines frei zugänglichen öffentlich-rechtlichen Medienspektrums für die Gesellschaft unheimlich wichtig ist, für den politischen Diskurs in der Gesellschaft wichtig ist, dafür, dass Leute sich informieren können und dass sie sozusagen auf Augenhöhe an dem gesellschaftlichen Dialog und am politischen und sozialen Geschehen teilhaben können. Und wenn das der Grund ist, weshalb dieser Beitrag erhoben wird, dann darf man auf der anderen Seite nicht sagen, das haben aber ganz viele gesehen, und das haben ganz wenige gesehen, sondern es ist wichtig, dass es ein breites, aufgefächertes und alle Gruppen und Schichten berücksichtigendes Angebot gibt.“
Zudem werden „Quotenziele“ für geplante Sendungen vorgegeben, „und wenn man dieses Ziel verfehlt und mehrfach hintereinander verfehlt, kann man relativ sicher sein, dass man zumindest im ersten Programm keine lange Überlebenschance hat mit einem Sendeplatz. Und das ist ja nun einigen Grimme-Preis-belohnten Sendungen schon passiert, dass die einfach wieder verschwunden sind. Also ich glaube, da wird viel zu stark drauf geachtet, und ich glaube, es gäbe andere Möglichkeiten, die Effizienz oder die gesellschaftliche Relevanz von Programmen zu nutzen.“
Deshalb fordert die Initiative für Publikumsräte die Etwablierung eines nachhaltigen Dialogs mit dem Publikum sowie die Einrichtung von Ombudspersonen in den Sendeanstalten. Statt der punktuellen, quantitativen Daten könnten so Akzeptanzkriterien direkt mit dem Publikum erörtert und ins Programm einbezogen werden.
Medienhype als Ablenkungsmanöver?
#ÜbergriffeKöln: Was geschah dort und wie berichten Medien?
In den vergangenen Tagen überschlugen sich Meldungen zu sexuellen Übergriffen in der Sylvesternacht in Köln und anderswo. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien springen auf die bislang kaum geklärten Vorkommnisse auf. Das ZDF plant für heute abend ein ZDF-Spezial zum Thema. Und die Tagesschau titelt „Frauen überfallen – was bisher bekannt ist“. Falls die sexuellen Übergriffe so stattgefunden haben sind sie selbstverständlich scharf zu verurteilen und eine Straftat, egal wo die Täter herkommen. Doch bekannt ist erstmal nicht viel – außer einer Pressemeldung der Polizei Köln, in der von „nordafrikanisch Aussehenden bis zu 20“ Tatverdächtigen die Rede ist und einigen Interviews mit dem Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt. Als dieser plötzlich von 1000 Verdächtigen nordafrikanischen Urspungs spricht, gewinnt das Thema an Fahrt. Die Medien übernehmen freimütig die kulturelle Zuschreibung der „nordafrikanisch Aussehenden“, obwohl dies Ziffer 10 und 12.1 des Pressekodex widerspricht. Auf die Domplatte passen zudem insgesamt kaum mehr als 1000 Menschen und eine Augenzeugin, die an Sylvester vor Ort war, berichtet etwas ganz anderes.
Die Erfahrung mit der NSU-Mordserie lehrt, dass sowohl die Zahlen als auch die religiös-kulturelle Zuschreibung der Tatverdächtigen erst einmal zu überprüfen wäre. Die Argumentation Wendts, dass man „solche Übergriffe aus dem Ausland wie etwa vom ägyptischen Tahrir-Platz“, kenne erinnert doch stark an die SOKO „Bosporus„, die seinerzeit die NSU-Morde „weit außerhalb des westlichen Kulturkreises“ verortete. Sexuelle Straftaten werden also nur von Muslimen bzw. Nordafrikanern verübt?! Vielleicht sollte sich Wendt die eigenen Statistiken der Polizei zu sexuellen Straftaten hierzulande genauer ansehen.
Die nächste Eskalationsstufe – die Verknüpfung der vermeintlichen Täter mit den Flüchtlingen – die der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt in den Medien suggeriert, sollte wirklich stutzig machen. Rainer Wendt publiziert u.a. in rechtsnationalen Presseorganen wie der Jungen Freiheit und fordert dort den Rücktritt von Politikern, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Dem islamfeindlichen Compact Magazin gab er ein Interview. Auch im Focus warnte er seit Monaten vor einer Bandenbildung der Flüchtlinge – die er nun mit Blick auf Köln gleich selbst bestätigt. Und in der Gewerkschaftszeitung der Polizei bewirbt der rechtgerichtete Kopp-Verlag ganzseitig antimuslimische Publikationen, z.B. von Udo Ulfkotte.
Die politischen Reflexe bleiben nicht aus. Julia Klöckner (CDU) “ sprach sich in der FAZ dafür aus, „natürlich“ die Herkunft der mutmaßlichen Tatverdächtigen zu nennen, die nach Zeugenaussagen aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum stammen sollen. „ Wenn in dieser massiven Form Übergriffe organisiert worden sind und es wohl evident ist, dass diese Übergriffe von mutmaßlichen Tätern eines bestimmten Kulturkreises verübt wurden, dann gehört das dazu.“ „Wohl evident“? „Mutmaßliche Täter“? Das hört sich nicht nach beweiskräftigen Tatsachen an.
Dann dürfen wir also gespannt sein, ob die öffentlich-rechtlichen Medien heute abend ihrem Auftrag der Aufklärung gerecht werden und die vermeintlichen Offensichtlichkeiten auf ihren Wahrheitsgehalt hin abklopfen.
#AGF: Fernsehquoten berücksichtigen erstmals auch Nicht-EU-Ausländer
Die AGF-Fernsehforschung wird von ARD, ZDF sowie Pro7Sat1 und RTL finanziert und misst im Gegenzug die Einschaltquoten der entsprechenden Fernsehsender. Von Kommunikationswissenschaftlern wird seit langem die Grundgesamtheit der in die Messung einbezogenen Zuschauer kritisiert. Bei der Messung der Einschaltquoten bestand die zugrunde gelegte Grundgesamtheit der ZuschauerInnen ausschließlich aus Deutschen und EU-Ausländer. Im Einwanderungsland Deutschland leben aber Menschen mit unterschiedlicher Nationalität, wobei EU-Ausländer etwa Zweidrittel ausmachen, andere ein Drittel. Hauptkritikpunkt ist, dass aufgrund der fehlenden Quoten die Sehgewohnheiten der Nicht-EU-AusländerInnen einer „Black Box“ gleichen. Folglich werden ihre Programmvorlieben auch bei der Sendeplanung kaum berücksichtigt – was dazu führt, dass sich Einwanderer mit ausländischem Pass zwar mit ihren Beiträgen an der Rundfunkfinanzierung beteiligen, sich jedoch kaum im Programm wiederfinden. Dieser Befund wurde durch die Medienforschung sowie in kommunikationswissenschaftlichen Studien mehrfach belegt: Obwohl Ausländer zu den Stammnutzern deutscher Fernsehprogramme gehören, fühlen sie sich von den Inhalten nur teilweise angesprochen.
Trotz einer grundsätzlicheren Kritik an der Quotenfixierung der TV-Sender, auf die hier nicht weiter eingegangen wird, war es längst überfällig, dass die AGF ihr Messschema ändert. Seit 1.1.2016 werden nun erstmals die „deutschsprachigen“ ZuschauerInnen erfasst, ohne Bersücksichtigung der Nationalität. Interessant ist auch, dass dies ein Zuwachs der gemessenen ZuschauerInnen bedeutet, wobei dieser besonders bei Kindern und Jugendlichen ins Gewicht fällt.
Nun werden wir weiter beobachten, inwieweit die neuen Daten tatsächlich zu einer umfassenderen Berücksichtigung der ausländischen ZuschauerInnen im Programm führen. Gerade angesichts der Flüchtlinge wären beispielsweise verstärkte Anstrengungen der öffentlich-rechtlichen Anstalten notwendig, um deren Grundversorgung zu gewährleisten.