#Bibelrätsel: öffentlich-rechtliche Geschichtsfälschung
Die TerraX-Sendung „Bibelrätsel – die Macht der zehn Gebote“ wurde am 26.12.2015 im öffentlich-rechtlichen Gemeinschaftssender 3sat wiederholt. Es geht darin auch um das Volk Israel, dass von den Babyloniern gefangen genommen war und im Exil leben musste. Ab Minute 35 wird gesagt, dass die Juden nach langem Exil in ihre Heimat Judäa zurückkehren. Doch wie ihnen dies als Gefangene Nebukadnezars gelingt, wird verschwiegen. Lediglich ist die Rede davon, dass Babylon nun dem Perserreich untersteht und die Juden unter dessen Kontrolle ihre zerstörten Tempel in Jerusalem wieder aufbauen.
Dabei steht alles in der Bibel (und knapp in Wikipedia): der Perserkönig Kyros (Xerxes) nahm Nebukadnezars kampflose Kapitulation an und sicherte ihm freies Geleit zu. Kyros befreite die Juden aus ihrer Gefangenschaft, nahm sich ihrer an, unterstützte sie bei der Rückkehr nach Israel und finanzierte per Edikt den Wiederaufbau der Tempelanlagen. Im Film wird jedoch davon kein Wort gesagt – vielleicht passt eine so positive Tat der Perser (heute Iraner) nicht in die politische Großwetterlage und das damit verbundene, eher negative Iranbild in den Medien?!
#ZDFheute: Nachrichten als Weihnachtsmärchen
Die Feiertage sind ‚rum und es lohnt ein kleiner Rückblick auf das Programm der letzten Tage. Zum Beispiel auf die Nachrichtensendung heute 19 Uhr vom 23.12.:
Der Vergleich der ersten beiden Berichte der ZDF Nachrichtensendung belegt das Messen mit zweierlei Maß der Redaktion: Während eine kritische Entwicklung in Polen (Gewaltenteilung, Verfassungsgerichtsreform) als mögliche „Abschaffung der Demokratie“ gerahmt wird, werden Maßnahmen in Frankreich (Dauerhafter Ausnahmezustand, Einschränkung von Grund- und Persönlichkeitsrechten) als Abwägung zwischen Sicherheit vor Terror und Freiheit interpretiert.
Die idealtypische Unterscheidung zwischem (objektivem) Bericht und (subjektivem) Kommentar wird wieder einmal ad absurdum geführt.
#Publikumrat als Gegenstand einer Studie
Der Journalist Fritz Wolf hat für die Otto-Brenner-Stiftung neue Formen der Medienkritik und die sich wandelnde Selbstwahrnehmung des Publikums sowie mögliche Ursachen unter die Lupe genommen. Die Untersuchung „Wir sind das Publikum“ ist inspiriert von Initiativen wie dem Publikumsrat und greift zentrale Argumente auf. Dazu gehört die Forderung nach einem nachhaltigen Dialog zwischen Sendeanstalten und Publikum sowie den Vorschlag der Einrichtung von Ombudsleuten nach dem Schweizer Modell in den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland, die auch im abgedruckten Interview mit der Gründerin des Publikumsrats, Dr. Christine Horz, bekräftigt werden.
Die Studie bietet insgesamt einen guten und differenzierten Einstieg in das Thema. Sie legt den Fokus vor allem auf inhaltliche Medienkritik unterhalb regulatorischer Veränderungen. Der Druck von außen kann aber nur einen Teil der stärkeren Einbindung des Publikums sein. Verbesserte Medienbildung gehört ebenso dazu wie strukturelle Änderungen. Dazu gehören rotierende Sitze für Publikumsvertreter in den Gremien, die keinem der großen Verbände angehören. Diese Demokratisierung der öffentlich-rechtlichen Medien ist nötig, um wirklich mitbestimmen zu können – und ihre Transparenz und Akzeptanz zu verbessern.
#ZDF: Klebers Verzweiflungstat
Klaus Kleber, hochdotierter Moderator des ZDF heute-journals, mag sich partout nicht vorstellen wie Medienkritiker (die gleich wieder mit den „Lügenpresse“-Heinis in einen Topf geworfen werden) eigentlich darauf kommen, dass die Politik Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen versucht.
Wir helfen ihm ein wenig, sich zu erinnern: Die ZDF-Medienaffäre aus dem Jahr 2012 heißt so, weil ein enger Mitarbeiter von Horst Seehofer (CSU) auf die ZDF-Berichterstattung Einfluss zu nehmen versuchte. Klebers eigener Chefredakteur, Peter Frey, hatte sich darüber beschwert.
Dies scheint kein Einzelfall zu sein:
„Ein Chefredakteur, der noch nie einen erbosten Politiker am Telefon hatte, muss sich fragen: Was habe ich falsch gemacht? Diese ganze Wehleidigkeitsnummer kotzt mich an. Es ärgert mich, dass alle sagen: Oh, Herr Diekmann hat einen erbosten Anruf entgegennehmen müssen. Amnesty! Anstatt zu sagen: Na klar, wir alle bekommen ständig diese Anrufe. Das ist unser Job. Wir kriegen das bezahlt. Wir kriegen nicht bezahlt, dann zu sagen: jawohl. Wir kriegen nicht bezahlt, auf so einen Anruf hin unsere Redaktion zu verprügeln, sondern das auszuhalten, zu argumentieren und natürlich auch zu gucken: Ist da vielleicht etwas dran?“
Wem das allzu nachsichtig ist: da wäre ja noch die Causa Brender – die verhinderte Wiederwahl des ZDF-Chefredakteurs im Jahr 2010 aufgrund der Einflussnahme des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU). Wunschgemäß ging Brender und Frey kam. Und das Verfassungsgericht erklärte den ZDF-Staatsvertrag aufgrund des überbordenen Einflusses der Politik als verfassungswidrig. Die Länder einigten sich daraufhin auf einen neuen Staatsvertrag, der nächstes Jahr in Kraft tritt und der die Zahl der Politiker in den Rundfunkgremien von über 40 auf maximal 30% reduziert. Immer noch zu hoch, aber immerhin.
Das sollten erst einmal genug Argumente dafür sein, dass sich einige Politiker die Medien gefügig machen wollen, oder Herr Kleber?
#Flüchtlinge: So viele Anschläge wie nie – doch kaum Aufklärung in #ARD, #ZDF und #Deutschlandradio
In einem kurzen Erklärstück ging Petra Gerster in der gestrigen ZDF Nachrichtensendung heute 19 Uhr (ab min 5 ) auf den krassen Anstieg der Anschläge auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte ein. Im Jahr 2015 wurden 1305 teils tödliche Attacken gezählt. Vermutlich liegt die Zahl jedoch weit höher. Erst gestern starb ein Flüchtling in einem brennenden Asylbewerberheim. In der heute-Sendung wurde noch kurz die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz interviewt und das war’s dann auch schon. Kein Brennpunkt, kein ZDF-spezial.
Hier klafft eine Informationslücke, die die Öffentlich-Rechtlichen endlich füllen müssen, um ihrem Auftrag der Aufklärung der Bevölkerung nachzukommen. Öffentlich-rechtliche Anstalten werden aus Rundfunkbeiträgen finanziert. Sie sollten sich also investigative Journalisten leisten können, die viel umfassender als bisher Hintergrundberichte über die Täter und ihr Umfeld liefern, wenn schon die deutsche Polizei und Justiz versagt. Bis September wurden nur zehn Tatverdächtige ermittelt und ein einziger Täter verurteilt. Sind die Behörden immer noch auf dem rechten Auge blind? Bei Vergehen von links scheinen Polizei und Justiz weniger Ladehemmungen zu haben.
Rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft führen dazu, dass Angriffe als Vollstreckung eines vermeintlichen Volkswillens gutgeheißen werden. So werden Täter durch Schweigen geschützt. ARD, ZDF und Deutschlandradio sollten viel intensiver erläutern, warum die Rechtsextremen nicht nur Flüchtlinge meinen, wenn sie diese angreifen. Schon werden jene beschimpft und eingeschüchtert, die sich mit den Flüchtlingen solidarisch erklären. Erst Flüchtlinge, dann Andersdenkende und schließlich die demokratische Gesellschaft als Ganzes sind das Ziel der Rechtsextremisten und ihrer Klaqueure.
#Deutschlandfunk: Aktuell—DLF im Check—Hörertelefon
Unter dem Titel „Deutschlandfunk auf dem Prüfstand“ können sich Hörer an der Diskussionssendung mit dem Intendanten Dr. Seul beteiligen.
#Militärallianz: Perlen der Berichterstattung – leider nur im Radio
Der öffentlich-rechtliche Radiosender Deutschlandradio leistet in seinen Programmen beharrlich einen beträchtlichen Teil der Aufklärung, wenn es um die angebliche Militärallianz Saudi-Arabiens gegen den sogenannten IS (Daesh) geht. Damit füllen sie mit Hintergrundberichterstattung die Lücke, die ARD und ZDF hinterlassen, erreichen jedoch nicht deren Einschaltquoten.
Deutschlandfunk ließ bereits am 6.12.2015 den Nahost-Experten Guido Steinberg (SWP) zur Terrorfinzierung des Daesh durch Saudi-Arabien zu Wort kommen:
„Letzten Endes ist das, was wir im Irak und in Syrien auf IS-Territorium sehen, die logische Fortsetzung dessen, was die saudi-arabischen Wahabiten mittlerweile seit zweieinhalb Jahrhunderten predigen“, sagte Steinberg. Das Problem ließe sich nur lösen, wenn der saudi-arabische religionspolitische Einfluss in der arabischen Welt und in Europa „mit sehr drastischen Maßnahmen“ zurückgedrängt werde. Nur das tue die europäische Politik nicht. „Wir sollten unser Verhältnis zu Saudi-Arabien etwas überdenken. Unser Bild ist meines Erachtens so positiv, dass es nicht mehr der Realität entspricht.“
Ulrich Leidholdt vom Deutschlandfunk legte dann am 15.12.2015 mit einem Kommentar zur angeblichen Militärallianz Saudi-Arabiens gegen den sogenannten IS nach. Dabei tat er das, was Korrespondenten idealerweise tun – er ordnete die Ankündigung in den größeren außenpolitischen Rahmen der Geschehnisse im Mittleren Osten ein.
„Vorsicht. Eine Wende, vielleicht sogar die Wende im Kampf gegen den Islamischen Staat ist die neue saudische Militärallianz erst mal nicht. Für solche Hoffnungen bietet das politisch wie religiös erzkonservative Saudi-Arabien bislang keinen Ansatz. Im Syrienkonflikt steht das sunnitische Königreich in der ersten Reihe der Anheizer. Nicht um’s Wohl der arabischen Brüder gegen Assad geht es den Saudis. Sondern um Regimewechsel in seinem Sinne, vor allem aber um die regionale Vormacht im Mittleren Osten – Hauptgegner dabei ist der schiitische Iran. Der unterstützt Assad und strebt seinerseits nach mehr Einfluss in der Region.“
Deutschlandradio Kultur spricht in einem Interview mit Nahost-Experten des Hamburger GIGA-Instituts, die ebenfalls andeuten, dass das angebliche Bündnis gar nicht existiert. „Noch gebe es keinerlei Reaktionen von Regierungen der angeblichen Mitgliedsstaaten, sondern nur eine Presseverlautbarung aus Saudi-Arabien.“
Auch die zweifelhafte Rolle des Westens wird nicht ausgeklammert, der auf der Seite Saudi-Arabiens steht.
„Problematisch sei zwar, dass dieser Allianz auch Staaten angehörten, die nicht gerade demokratisch seien: „Aber wir müssen davon ausgehen, dass der Kampf gegen den IS jetzt auch Bündnisse erfordert, die jetzt vielleicht nicht unbedingt (…) ‚Herzensangelegenheiten‘ sind.“
Statt mehrfacher Berichte in den TV-Nachrichten von ARD und ZDF über die ersten Wahl in Saudi-Arabien, die den Eindruck hinterlassen, das Land wäre auf dem Weg in die Demokratie, sollten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihrem Auftrag gerecht werden, die Bevölkerung zu informieren. Solche Hintergrundberichte, wie sie Deutschlandradio liefert, helfen, das Geschehen einzuordnen und sollten dem Fernsehpublikum nicht vorenthalten werden.
#EBUKnowledgeExchange: Informationen und Videos
In eigener Sache:
Dr. Christine Horz (Publikumsrat) hat an dem spannenden Austausch zwischen Wissenschaftlern und europäischen öffentlich-rechtlichen Medien teilgenommen. Es ist deutlich geworden, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zumindest theoretisch wissen, dass sie zukünftig den Dialog mit dem Publikum suchen müssen, um die Akzeptanz nicht zu verlieren. Nun bleibt abzuwarten, wie die Mitgliedssender dies praktisch umsetzen.
Videos vom Event und Statements sind online abrufbar.
#DWArabia: Flüchtlings-TV light
Die Deutsche Welle baut ihr arabischsprachiges Programm zu einem Kanal für Flüchtlinge aus. Damit wird DW erstmals in Deutschland zu empfangen sein, denn die Deutsche Welle ist ein Auslandssender, der aus Steuergeldern finanziert und dem Außenministerium angegliedert ist. Das strikte Ausstrahlungsverbot im Inland ist im DW-Gesetz festgeschrieben. Die Deutsche Welle bereitet Nachrichten, Information und Bildungssendungen aus deutscher Perspektive in verschiedenen Sprachen auf.
Genau das soll nun auch im Inland mit DW Arabia geschehen, wie der DW-Intendant Peter Limbourg im Tagesspiegel zitiert wird: „Es ist uns ein wichtiges Anliegen, den Menschen europäische Werte zu vermitteln und Zugang zu verlässlichen Informationen aus deutscher Perspektive, und zwar zunächst in ihrer Muttersprache, zu verschaffen. Damit leistet die DW auch einen Beitrag zu einer ersten gesellschaftlichen Teilhabe der Flüchtlinge in Deutschland.“
So notwendig es ist, auch für die neu Hinzukommenden Radio- und TV-Programme bereitzustellen, erinnert diese Zielsetzung doch stark an den CSU-Vorschlag zur Etablierung eines Integrationssenders. Noch ist die Finanzierung ungeklärt. Die Grünen-Politikerin Tabea Rößner erwägt zudem die Prüfung der rechtlichen Grundlage für ein solches Programm, da DW nur im Ausland empfangbar sein darf. Sie plädierte stattdessen für einen Ausbau der Aktivitäten von ARD und ZDF, so dass Flüchtlinge schnell in „vorhandene Zuschauerkreise“ integriert werden könnten.Dies ist sowohl aus kommunikationswissenschaftlicher als auch aus rundfunkpolitischer Sicht ein vernünftiger Vorschlag. Die öffentlich-rechtlichen Sender verschleppen ohnehin seit Jahren ihren Auftrag der Grundversorgung in der Einwanderungsgesellschaft. Dass die deutsche Bevölkerung mindestens aus einem fünftel an Zuwanderern besteht, wird weder in den Programmen, noch den Redaktionen oder den Rundfunk- und Fernsehräten widergespiegelt. Einzig bei den Rundfunkbeiträgen besteht gleichberechtigte Teilhabe – den dürfen sie ebenfalls zahlen.
Insofern fordert auch die Initiative Publikumsräte ARD, Deutschlandradio und ZDF auf, endlich mehr zu tun, um ihren gesetzlich festgelegten Auftrag zu erfüllen und ein Programm für alle zu senden.
#Kirchenrepublik Deutschland: Kirche als Lobbyorganisation im Rundfunk- und Fernsehrat
Der Politologe Carsten Frerk kritisiert in seinem neuen Buch „Kirchenrepublik Deutschland“ u.a. die Dominanz der Kirchen in den Rundfunk- und Fernsehräten der öffentlich-rechtlichen Medien. In einem Interview auf Deutschlandfunk nimmt er dazu Stellung:
„Wenn ich mir die Entwicklung in der Bevölkerung anschaue, dass wir mittlerweile ein Drittel Kirchenmitglieder haben, katholisch, und noch ein Drittel, etwas weniger, evangelisch, und eine etwas größere Gruppe, die nicht mehr Kirchenmitglieder sind, dann würde ich doch erwarten, dass sich diese Veränderungen auch in diesen Gremien öffentlich-rechtlicher Sender allmählich darstellt. Und auch gerade jetzt bei der Neubesetzung des ZDF-Fernsehrates ist das überhaupt nicht berücksichtigt worden.“
Zwar würden Muslime mittlerweile berücksichtigt, doch dass die große Gruppe der Nicht- oder Andersgläubigen dort gar nicht repräsentiert seien, hält Frerk für problematisch. Damit spielt er auf das Drittsenderecht an, dass nur anerkannten Körperschaften zusteht. So kommt es, dass die christlichen Kirchen eigene Redaktionen in den öffentlich-rechtlichen Medien unterhalten und ihre Bekenntnissendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk senden dürfen.
„Nur wenn ich in einem Medium arbeite, das sich eben nicht nur an religiöse Hörer wendet – wenn es der Evangeliums-Rundfunk ist als Beispiel oder Bibel-TV, da sollen die ihre religiösen Bekenntnisse abgeben, wie sie wollen und möchten und rauf und runter – aber nicht in einem öffentlich-rechtlichen Sender! Das Verfassungsgericht hat mal gesagt, der Staat ist die Heimstatt aller Bürger. Und diesen Auftrag sehe ich auch für zumindest die öffentlich-rechtlichen Medien. Also ein Sender für alle Bürger. Und wenn es dann eine Spezialsendung gibt, wie eben Gottesdienst am Morgen oder Morgenandacht, da ist ja auch die religiöse Bekenntnisebene klar auch benannt, so angesprochen, da würde ich mich sehr wundern, wenn da etwas Atheistisches kommen würde.“
Der Politologe kritisiert die christlichen Kirchen auch deshalb, weil sie erfolgreich ihre wirtschaftliche Macht und ihre letztlich politische Einflussnahme verschleiern, obwohl sie für letzteres gar kein Mandat haben.