Nazis bedrohen Journalisten
Ein NDR Journalist wird öffentlich bedroht und Nazis veranstalten eine Demo in Hannover gegen ihn persönlich. Dagegen protestierten am Samstag, 23.11. etwa 8000 Gegendemonstranten. Sie übertönten, damit den Hass und setzten ein deutliches Signal für eine offene Gesellschaft und die JournalistInnen, die jeden Tag gute Arbeit leisten.
Habeck fordert öffentlich-rechtliches Internet
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck fordert im Interview mit „Die Welt“ eine öffentlich-rechtliche Alternative zu den kommerziellen Plattformen.
Google, Facebook und Co. gelten als Datenkraken, die Nutzungsdaten zu Werbezwecken ausbeuten. Nicht-kommerzielle und am Gemeinwohl orientierte Anbieter wie die Öffentlich-Rechtlichen sind momentan gezwungen auf den kommerziellen Plattformen präsent zu sein, wollen sie ihr Publikum erreichen – und das müssen sie laut verfassungsmäßigem Auftrag. Was Habeck nicht sagt: auch die digitalen Infrastrukturen der öffentlich-rechtlichen Sender laufen auf der Technik dieser kommerziellen Anbieter. So kommen die kommerziellen Plattformen über die Hintertür an die Nutzungsdaten der Mediatheken-Nutzer.
Das alles spricht dafür eine Alternative zu den kommerziellen Plattformen, nämlich „die Schaffung einer neutralen öffentlich-rechtlichen Plattform, die für Kommunikation und soziale Netzwerke aller Art zur Verfügung steht, also auch für Alternativen zu Facebook und Co“ – eine Idee, die unter dem Stichwort European Public Open Space (EPOS) von mehreren Initiativen schon seit einiger Zeit untersucht wird.
Goldene Kartoffel geht an ARD/ZDF Talkshows
Die Neuen Deutschen Medienmacher (NdM), ein bundesweiter unabhängiger Zusammenschluss von Journalist*innen mit und ohne Migrationsgeschichte, haben heute ihren Preis für rassifizierte Berichterstattung vergeben.
And the winner is….vier politische Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF gleichzeitig. Zu den „Gewinnern“ gehören:
- hart aber fair (Frank Plasberg, ARD)
- maischberger (Sandra Maischberger, ARD)
- Anne Will (Anne Will, ARD)
- maybrit illner (Maybrit Illner, ZDF)
In ihrer Begründung schreiben die NdM in einer PM:
„Laut Programmauftrag sollen die Sender des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks informieren, bilden und unterhalten – die politischen Talksendungen haben also einen Bildungsauftrag. In der Umsetzung merkt man davon leider wenig:
- Die Ankündigungen sind oft reißerisch und mit plumpen Fragen versehen, bspw. „Heimat Deutschland – nur für Deutsche oder offen für alle?“, „Bürger verunsichert – Wie umgehen mit kriminellen Zuwanderern?“, „Angst vor dem Islam: Alles nur Populismus?“, „Gekommen, um zu bleiben. Neue Zuwanderer, alte Probleme?“
- Die Inhalte fördern oft Klischees, statt sie abzubauen. Die Sendungen zu den Themen rund um Migration, Geflüchtete und Islam zeichnen sich durch Vorurteile und Panikmache aus. Fast immer geht es um Extremismus, Kriminalität und andere Bedrohungen durch Migrant*innen und ihre Nachkommen.
- Die Gästeauswahl ist häufig diskriminierend, der Diverstitätsmangel in vielen Sendungen bestechend. Besonders auffällig ist die ständige Abwesenheit von Schwarzen Menschen und People of Color, die sich – wenn überhaupt – oft nur in Sendungen zu Migrationsthemen wiederfinden, als würden Themen wie Rente, Pflege, Klima usw. einen erheblichen Teil der Gesellschaft nicht betreffen. Ein Viertel der Bevölkerung hat einen Migrationshintergrund – das sollte sich überall widerspiegeln.
Kurz: Den politischen Talkshows gelingt es nicht, tiefergehend zu informieren, vielfältige Perspektiven einzubinden und Ressentiments abzubauen. Stattdessen wird hier Rassismus behandelt wie jeder andere Standpunkt auch.“
Politische Talkshows über Flucht sind Teil des Problems „Rassismus“ in Deutschland. Nicht, dass Probleme mit der Zuwanderung verschwiegen werden sollen – Nein! – es geht vielmehr, darum, dass die Talkshows den Eindruck erwecken, als sei beispielsweise Kriminalität ein Privileg der Geflüchteten. Diese Form des Framings ist ganz sicher kein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, den die ÖRM auch in der Migrationsgesellschaft zu leisten haben.
Warum gibt es so viele öffentlich-rechtlichen Sender?
Das haben sich sicher schon viele gefragt – wozu brauchen wir eigentlich über 20 öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland? Wäre einer nicht genug? Nein – sagt das Bundesverfassungsgericht.
Gut erklärt ist es in dieser Antwort des ZDF auf eine Nutzeranfrage.
#tagestehmen: Weshalb die Nennung der Herkunft falsch ist!
Die Tagesthemen (ARD) berichtete am 29. Juli über einen Vorfall in einem Freibad, bei dem angeblich 50-60 nordafrikanische Jugendliche eine Rutsche blockiert und randaliert hätten, woraufhin das Freibad hätte gräumt werden müssen. Zm dritten Mal in diesem Jahr. Das Politmagazin Monitor recherchierte offenbar etwas gründlicher als die Nachrichtensendung und fand heraus, dass der Vorfall so nicht stattgefunden hat. Von dieser „Sommerlochgeschichte“ der randalierenden arabischen jungen Männer blieb dann kaum noch etwas übrig.
Der Tagesspiegel schreibt: „Bei näherem Betrachten bleibt allerdings von den angeblichen Tumulten im Freibad nicht mehr viel übrig: Nach „Monitor”-Recherchen gibt es laut Polizeiinformationen zwei Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung und Bedrohung – und das gegen zwei Deutsche.“
Der Bürgermeister, der die Überwachungsvideos zusammen mit der Polizei gesichtet hatte, spricht im Monitor-Bericht von „einem ziemlich deutsch-nationalen Süppchen“ das hier gekocht worden wäre.
Fazit: Diese Geschichte passt jenen gut ins Bild, die schon immer gegen Einwanderung waren. Dass etablierte Medien wie die Tagesthemen immer häufiger auf diesen Zug aufspringen macht einmal mehr deutlich, dass die mittlerweile übliche Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen in der Berichterstattung offenbar dazu verleitet, sehr schnell zu Vorverurteilungen überzugehen und Berichten eine entsprechende „Rahmung“ zu verpassen. Deshalb sind wir dagegen.
Nennung der Täterherkunft im Mordfall am Frankfurter Hauptbahnhof
Nennung der Täterherkunft im Mordfall am Frankfurter Hauptbahnhof
Der Mord eines kleinen Jungen durch einen offenbar psychisch kranken Mann am Frankfurter Hauptbahnhof hat die Republik verstört.
In der Berichterstattung darüber in ARD, ZDF und anderen Medien wurde die Herkunft des Täters genannt. Die tagesschau vermeldete beispielsweise dazu, dass der Täter in seinem Schweizer Wohnort als „gut integriert“ galt (00.37).
Die Nennung der Herkunft von Tatverdächtigen wurde nach der Änderung der Diksriminierungsrichtlinie im Pressecodex nach den Ereignissen von Köln zu Silvester 2015/16 geändert. Seither kann die Herkunft genannt werden, „wenn ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit“ vorliegt. Diskutiert wird immer wieder wann und wann nicht die Herkunft genannt werden sollte.
Nach ethischen Gesichtspunkten halten wir es in diesem Fall für nebensächlich bis überflüssig, die Herkunft des Täters zu nennen. Die Herkunft spielt u.E. nur dann eine Rolle, wenn sie einen Bezug zur Tat aufweist. Bei dem Mord an dem kleinen Jungen war das öffentlichkeitsrelevante Kriterium jedoch nicht die Herkunft, sondern die offenbar psychische Vorerkrankung des Täters.
Leipziger AktivistInnen fordern Publikumsrat
In einem offenen Brief fordert die Leipziger Gruppe aufstehen – eine Sammlungsbewegung den Ministerpräsidenten von Sachsen, Michael Kretschmer (CDU) dazu auf Publikumsräte einzurichten. Diese sollten die bestehenden Gremien ergänzen und per Losverfahren gewählt werden. Ihr Ziel solle sein, auf Basis eines „Qualitätsberichts die Einhaltung des Programmauftrags durchzusetzen“. Auch sollten Journalisten verpflichtet werden, „den gesetzlich festgelegten Programmauftrag zu erfüllen“.
Die Idee der Etablierung von Publikumsräten ist, nun ja, von uns geklaut. Das freut uns.
Die vorgeschlagene Ausgestaltung der Aufgaben sollte man sich aber genauer ansehen. Zunächst müssten die „per Los gewählten“ RepräsentantInnen eine Ahnung davon haben, was mit Qualität im Journalismus gemeint ist. Es klingt zunächst einfach. Aus der Forschung wissen wir jedoch, wie schwierig es ist Qualitätskriterien aufzustellen und noch viel schwieriger, sie zu messen. Wir finden Qualitätsberichte für Öffentlich-Rechtliche sinnvoll. Auch der Schweizer öffentlich-rechtliche Rundfunk lässt sich durch ein externes wissenschaftliches Institut evaluieren. Das Publikum sollte in die Debatte über Qualität und Public Value aber mit einbezogen werden! Umfassend und nachhaltig. Idealerweise würde das im Austausch mit den WissenschaftlerInnen und den PraktikerInnen stattfinden wie etwa in Österreich.
Mit der „Erfüllung des gesetzlich festgelegten Programmauftrages“ ist es auch so eine Sache. Der ist im Gesetz ganz bewußt vage formuliert, weil wir Presse- und Rundfunkfreiheit haben. Damit nie wieder jemand den Medien sagen kann, was sie zu berichten haben, wie schon häufiger in der deutschen Geschichte vorgekommen.
Außer, dass die Allgemeinheit mit Bildung, Information, Kultur und Unterhaltung zu versorgen sei, steht da wenig konkretes im Gesetz. Viel weniger konkret als beispielsweise in Großbritannien für die BBC. Die Erfüllung des Auftrags ist also Verhandlungssache. Bei der Frage wie der Auftrag erfüllt werden kann, bzw. besser erfüllt werden könnte, sollte das Publikum auf jeden Fall einbezogen werden. Das ist aber nichts, was eine Gruppe feststellen sollte, sondern die Ausgestaltung des Auftrags und der Qualität gehört in die gesellschaftliche Debatte und zwar langfristig.
Bei der Presse ist es noch schwieriger, weil es sich dabei um „Tendenzbetriebe“ handelt wie auch die Kirchen. Die Verlage dürfen also durchaus eine Blattlinie festlegen, nach der Journalisten sich zu richten haben.
Die Idee ist also gut (ist ja auch unsere). Die Machart ist aber nicht wirklich durchdacht. Dennoch: Vorstöße dieser Art können durchaus Impulse zur Öffnung der Medienregulierung und der gesellschaftlichen Debatte geben.
Idee der Publikumsbeteiligung trägt Früchte
Der Vorschlag, die öffentlich-rechtlichen Medien stärker von den Bürgern mitgestalten zu lassen haben Christine Horz und Sabine Schiffer bereits 2014 in die Debatte eingebracht. Christine Horz von Publikumsrat e.V. führte in den vergangenen Jahren zahlreiche Gespräche mit Politiker*innen und Medienverantwortlichen, brachte die Idee erfolgreich in die gesellschaftliche Debatte ein, unter anderem als Mitverfasserin der 10 Thesen zur Zukunft der Öffentlichen-Rechtlichen.
Die Idee der Bürgerbeteiligung in einem wissenschaftlichen Projekt näher zu erforschen wurde dann vor zwei Jahren mit EPOS konkretisiert und zeigt nun erste Früchte. Volker Grassmuck als Teammitglied ist nun Fellow des CAIS.
Auch die Sendeanstalten signalisieren die Bereitschaft mit uns zusammenzuarbeiten. Es bleibt spannend!
Nach Christchurch: Wo bleibt die selbstkritische Mediendebatte?
Bei den Terrorattacken auf zwei Moscheen in Christchurch/Neuseeland durch einen rechstmotivierten Islamhasser starben 50 Menschen. Es war eine furchtbare Erfahrung, nicht nur für die neuseeländische vielfältige Gesellschaft. Anders als in Deutschland nehmen die NeuseeländerInnen jedoch die rassistische und islamfeindliche Tat als Anlass zum Innehalten und Überdenken der eigenen Haltungen. Die Medien in Neuseeland haben eine selbstkritische Debatte darüber angestoßen, wie im Vorfeld über Minderheiten und Muslime berichtet wurde.
Hierzulande vermissen wir jedoch diese selbstkritische Mediendebatte. Die eigenen, überwiegend negativen Berichterstattungsmuster zu Muslimen und dem Islam in klassischen und „sozialen“ Medien, auf welche die kommunikationswissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten hinweist, müssten einer kritischen Revision unterzogen werden.
Das Dilemma der Wirkungsforschung ist dabei, dass keine Kausalität zwischen Medienberichterstattung und Radikalisierung in der Bevölkerung festgestellt werden kann, einfach weil es zuviele Variablen gibt. Eine Korrelation ist aber beobachtbar, Wirkungspotenziale können benannt werden. Wir wissen aus der Agenda Setting Theorie und der Framing-Forschung, dass Medien zumindest Themen und Deutungsrahmen dessen mitgestalten worüber wir sprechen und nachdenken.
Wenn also Menschen zu 50% den Islam als bedrohlich wahrnehmen (Religionsmonitor 2015), aber gleichzeitig so gut wie kein Kontakt zu Muslimen besteht drängt sich die Frage auf, welche Rolle Politik und Medien spielen, die zu großen Teilen die öffentlich Debatte mitbestimmen. Wenn also die Medienbilder über Muslime zu großen Teilen negativ sind, kann man durchaus von Wirkungspotenzialen auf Einstellungsmuster sprechen. Die Medien haben also einen Anteil am gesellschaftlichen Islamhass.
Bevor eine ähnlich Tat auch hierzulande geschieht, sollten Politik und Medien selbstkritisch reflektieren, wie hoch ihr Anteil an der gesellschaftlichen Islamfeindlichkeit ist. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre Berichterstattungsmuster kritisch überdenken. Das friedliche Zusammenleben, die vielfältige Gesellschaft und ethische Leitlinien sollten im Programm deutlicher erfahrbar sein.
Aktualisierung: Mit ersten Ansätzen einer journalistischen Selbstkritik haben Julia Ley und Nadia Abdel Aziz heute in der taz begonnen.
Framing als Konzept und Werbestrategie
Seit vergangener Woche diskutiert die Republik heftig über das sogenannte Framing-Handbuch der ARD. Es dürfte sich mittlerweile schon herumgesprochen haben, dass…
- die ARD vor ca. 2 Jahren die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling damit beauftragt haben, eine Konzept zur besseren Selbstdarstellung des Senderverbands zu verfassen
- Wehling eine selbstständige Sprachwissenschaftlerin ist, die nicht in Berkeley lehrt und forscht, sondern deren Institut nur den Namen der ehrwürdigen Ivy-League Uni als Marke nutzt
- Die ARD sowie Wehling selbst haben auf die Kritik reagiert, in dem sie zurückweist, dass es eine Art „Neusprech“ propagiere. Vielmehr handele es sich lediglich um Diskussionsgrundlage und keine Handreichung für die MitarbeiterInnen der ARD.
- das Manual letztlich vor allem Wehlings Einkommen gesteigert hat.
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Framing (Rahmung) sehr individuell wahrgenommen wird – was seine Wirkungspotenziale schmälert. Ähnlich wie Agenda Setting bestimmt es nicht, wie genau wir über einen Sachverhalt denken, sondern mit was wir uns überhaupt auseinandersetzen und welche sprachlichen und visuellen Konventionen verwendet werden. In der Kommunikationswissenschaft hat es, trotz aller Kritik, durchaus seinen Platz. Zu den Pionieren zählt Robert Entman, der das „Deutungsrahmen“-Konzept für die Forschung erschlossen haben. Allerdings zielt die Foschungs nicht darauf, heruazufinden wie man die öffentliche Wahrnehmung eines Unternehmens verbessert. Vielmehr lassen sich diesem Konzept beispielsweise nicht nur simple Stereotype sondern ganze Deutungsmuster und Denkschemata erforschen, die z.B. die Medienberichterstattung über MigrantInnen oder Muslime prägen. Die Wirkungspotenziale können nur abgeschätzt werden. Da die Berichterstattung überwiegend negativ ist, können Wirkungen angenommen. Es ist also sinnvoll, dass sich JournalistInnen damit auseinandersetzen, da ihr Framing viel mit journalistischer Verantwortung zu tun hat – sie sollten in der Lage sein, ihre Denk- und Sprachmuster zu überdenken, so dass ZuschauerInnen und LeserInnen die politische Debatte einordnen können.