Pressemitteilung 25.03.2014: Bundesverfassungsgericht urteilt: Dominanz der Politik in den Rundfunkgremien des ZDF ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht hat am heutigen Dienstag entschieden, dass der Einfluss der Politik im ZDF zu groß ist. Sowohl der Anteil von derzeit 45% Politikern in Fernseh- und 43% im Verwaltungsrat des öffentlich-rechtlichen Senders, als auch der Einfluss auf die Zusammensetzung der Gremien, verstößt gegen die Rundfunkfreiheit. Das Gericht gibt den Bundesländern bis 30. Juni 2015 Zeit, den ZDF-Staatsvertrag neu zu regeln.

Neben dem bestimmenden Einfluss von Politiker_innen auf die Auswahl der Vertreter_innen gesellschaftlich relevanter Gruppen im ZDF-Fernsehrat soll auch der Einfluss der Exekutive im Verwaltungsrat zukünftig nicht mehr möglich sein. Schließlich hatte das Land Rheinland-Pfalz die Klage deshalb eingereicht, weil vermutet wurde, dass der unionsdominierte Verwaltungsrat die Wiederwahl des ZDF-Chefredakteurs im Jahr 2009 verhindert hatte.

Die Initiative für einen Publikumsrat hält das Urteil grundsätzlich für ein positives Signal, das den staatlichen Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begrenzt. Die Absenkung des Anteils von Politikern und „staatsnahen Personen“ auf 30% bietet zumindest einen kleinen Spielraum, die freiwerdenden Sitze im Fernseh- und Verwaltungsrat so zu vergeben, dass die größtmögliche Pluralität dieser Gremien gewährleistet wird. Das Bundesverfassungsgericht mahnt in seinen „Leitsätzen“ zum Urteil an, dass zukünftig „untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden“ müssen.

Michael Rediske, Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen, meint dazu: „Nicht nur beim ZDF, sondern auch bei anderen öffentlich-rechtlichen Sendern muss der Einfluss der Parteien beschnitten werden. Rundfunkaufseher sollten aus der Mitte der Gesellschaft kommen und allein der Öffentlichkeit verpflichtet sein.“

Wir erwarten nun von den Staatskanzleien der Länder, dass sie das Urteil zügig umsetzen. Sich darauf berufend, empfiehlt die Initiative für einen Publikumsrat, die freiwerdenden Sitze in den Rundfunkgremien für Publikumsvertreterinnen zur Verfügung stellen.

http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/fs20140325_1bvf000111.html

http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg14-026

Freundliche Grüße

Dr. Christine Horz, Frankfurt

Dr. Sabine Schiffer, Erlangen/Berlin

Mail: info@publikumsrat.de

25. März 2014 von admin
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Senkung des Rundfunkbeitrags lässt Spielraum für mehr Publikumsbeteiligung

Pressemitteilung, 14.03.2014

Die Ministerpräsidenten und –präsidentinnen haben in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, dass der Rundfunkbeitrag pro Haushalt um 48 Cent auf 17,50 pro Haushalt gesenkt werden soll.

Die Initiative für einen Publikumsrat begrüßt, dass die Ministerpräsidenten und –präsidentinnen einen Spielraum für weitere Investitionen, wie die Werbereduzierung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, eingeräumt haben.

Nun gilt es, dass die Investitionen so gestaltet werden, dass die Zuschauer_innen und Hörer_innen umfassend davon profitieren, in dem beispielsweise ein Teil der Mehreinnahmen in ein verbessertes Programm unter anderem durch eine angemessene Bezahlung auch der freien Produzenten_innen investiert wird. Auch verbesserte Möglichkeiten der Publikumsbeteiligung und –mitbestimmung würden sich lohnen, etwa die Investition in Programmbeobachtungen und Wahlverfahren z.B. zur Gremienzusammensetzung.

Durch die Einführung der „Haushaltsabgabe“ beteiligt sich jeder Haushalt in Deutschland mit seinem Beitrag an der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Medien in Deutschland. Demgegenüber erhalten die Zuschauer_innen/Hörer_innen bislang kaum transparente und leicht zugängliche Informationen über die Senderpolitik sowie die Arbeitsweise und Aufgabe der Gremien. Bislang wurden nur punktuell Dialog- und Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt. Weder existiert eine unabhängige Ombudsstelle, welche die Zuschauer/Hörerkritik bündelt und an die Anstalten übermittelt, noch können sich größere Teile der Bevölkerung an medienpolitischen Entscheidungen wie der Ausgestaltung von Programm- und Entwicklungsfragen beteiligen, wie es beispielsweise in der Schweiz üblich ist. Die Rundfunkanstalten und vor allem die Rundfunk- und Fernsehräte könnten in ihrer Arbeit erheblich von einer größeren Nähe zum Publikum sowie einem Publikumsrat als Mittler- und Informationsinstanz zwischen Sender und Publikum profitieren.

Teile der Beitragsüberschüsse könnten auch in die Erhaltung der und verbesserte Zugänglichkeit zu den audio-visuellen Archiven der öffentlich-rechtlichen Anstalten investiert werden, denn die Initiative für einen Publikumsrat betrachtet sie als wichtiges und öffentlich finanziertes Kulturgut. Im Rahmen des Nationalen Integrationsplans haben sich ARD und ZDF verpflichtet, den Themen Migration und kulturelle Vielfalt ein größeres Gewicht zu geben. Wir schlagen vor, die Mehreinnahmen aus den Rundfunkbeiträgen auch in die Entwicklung innovativer Formate zu investieren und Ideen für eine sich pluralisierende Medienlandschaft in einer vielfältigen Gesellschaft umzusetzen.

Dr. Christine Horz, Frankfurt

Dr. Sabine Schiffer, Erlangen/Berlin

Für Rückmeldungen:

Fon: 069 – 46997780

Mail: info@publikumsrat.de

14. März 2014 von admin
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Erlanger Erklärung veröffentlicht

Wir haben die „Erlanger Erklärung“ veröffentlicht – sie ist in der Infothek zu finden.

28. Februar 2014 von admin
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WDR5: Interview mit Dr. Christine Horz

zum Nachhören hier:

WDR5:  Töne, Texte, Bilder

26. Februar 2014 von admin
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Programmbeschwerde an den ZDF Fernsehrat

Dieses Schreiben ist dem ZDF-Fernsehrat in der letzten Woche zugegangen – wir sind gespannt auf die Antwort:

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,

hiermit legen wir Beschwerde zur Sendung „Markus Lanz“ vom 16.01.2014 ein. Der Moderator Markus Lanz führte in der gleichnamigen Talkshow ein Interview mit der Politikerin Sahra Wagenknecht (Die Linke). Dabei wurden nach unserer Einschätzung Programmgrundsätze sowie journalistische Standards verletzt. Unsere Programmbeschwerde möchten wir näher begründen.

  1. Das o.g. Interview ist nicht vereinbar mit ethischen Grundsätzen des Journalismus.
    • Aus den im Grundgesetz verbrieften Freiheitsrechten von Presse und Rundfunk sowie den Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts leitet sich die Pflicht von Journalist/innen ab, sachlich und fair zu berichten. Dies ist im o.g. Fall nicht geschehen.
    • Wir sehen das Grundrecht der Menschenwürde, das auch Politikerinnen wie Frau Wagenknecht zusteht, durch die Fragetechnik Markus Lanz’ verletzt. Herr Lanz ließ seine Interviewpartnerin so gut wie nie ausreden, nachdem er ihr eine Frage gestellt hatte. Es schien zudem nicht darum zu gehen, mit der Politikerin zu reden, sondern sie durch die wechselweise Fragestellung von Lanz und dem eigentlich als Gast anwesenden Journalisten Hans-Ulrich Jörges,  geradezu zu diskreditieren. In einem demokratischen Gemeinwesen ist es ein fatales Signal, wenn im öffentlich-rechtlichen Fernsehen grundlegende Prinzipien der demokratischen Diskurskultur missachtet werden.

     

  2. Das Interview von Markus Lanz mit Sahra Wagenknecht ist nicht vereinbar mit dem Bildungs- und Informationsauftrag des ZDF.
    • Bürger haben auftragsgemäß einen Anspruch auf Information, den das ZDF laut BverfGer zu erfüllen hat. Allerdings erfuhr das Publikum kaum etwas über die politische Zielsetzung der Politikerin. Man könnte zu dem Eindruck kommen, dass dies womöglich die Absicht von Lanz’ Fragestil war. Das Argument, dass die Lanz-Talkshow dem Bereich Unterhaltung zugeordnet ist erscheint uns hier zweitrangig, da die Fragen des Moderators, sollten sie nicht als Satire gemeint gewesen sein, auf politische Aspekte zielten (Zitat: Euro – rein oder raus?“).
    • Die Interviewsituation reproduzierte darüber hinaus die bestehende Genderungleichheit. Herr Lanz machte bereits zu Beginn der Sendung deutlich, dass er eine dominante männliche Rolle im Interview einnehmen will, als er die Interviewpartnerin mit seinem vermeintlichen Kompliment als „die schönste Linke aller Zeiten“ begrüßte. Es ist schwer vorstellbar, dass er das äußere Erscheinungsbild eines männlichen Gegenübers in ähnlicher Weise mit dessen politischer Überzeugung verknüpft und zum Thema gemacht hätte. Dass Lanz als Moderator Frau Wagenknecht nicht ausreden ließ, verstärkt den Eindruck, dass er sie ganz bewußt nicht nur aufgrund ihrer politischen Einstellung sondern auch als Frau diskreditieren wollte. Es ist nicht akzeptabel, dass sich der öffentlich-rechtliche Sender ZDF mit seinem Moderator Markus Lanz an dieser, unseres Erachtens perfiden Form der Abwertung bestimmter politischer Überzeugungen und der Reproduktion von Geschlechterungleichheit beteiligt.

Es ist bezeichnend, dass das ZDF nicht auf die über 200.000 Unterzeichner/innen einer Online-Petition gegen die betreffende Sendung eingeht, um beispielsweise anhand qualitativer Argumente herauszufinden, was genau hinter dieser großen Resonanz auf die Sendung steckt. Es herrscht, trotz vereinzelter selbstkritischer Töne, offenbar die einhellige Einschätzung vor, dass es sich um einen shitstorm oder Cybermobbing handelt. (http://www.spiegel.de/kultur/tv/interview-mit-zdf-programmdirektor-norbert-himmler-zumarkus-lanz-a-945388.html).
Dass die Internetgemeinde ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnimmt, um in einer breiteren Öffentlichkeit Gehör zu finden, wurde gar nicht erst in Erwägung gezogen. Wir plädieren für eine differenzierte Sichtweise: Unserer Ansicht nach ist es zunächst positiv zu bewerten, dass sich so viele Menschen – dieses Mal kritisch – mit dem Programm des ZDF auseinandersetzen.

Dass sich darunter durchaus reflektierte und konstruktive Kritik findet, belegt beispielsweise der Kommentar von J. Robrandt, der am 30.01.2014 auf unserer Homepage gepostet wurde. Wir zitieren im Wortlaut.

„Anfang der 1970er-Jahre haben wir noch im Studium (Marketing, Kommunikationsgestaltung) gelernt: „Ein Kunde der sich offen artikuliert – ob kritisch oder lobend – repräsentiert zirka zehn weitere.” Inzwischen hat sich das Verhältnis etwa verzehnfacht: Einer der sich artikuliert, repräsentiert annähernd 100 andere. Bei der herrschenden Informationsflut artikulieren sich eher immer weniger Menschen zu dem was auf sie einstürmt. Lernen die Macher des ZDF auf ihren Manager-Akademien und -Seminaren solche Weisheiten nicht mehr? Wenn sich also bei OpenPetition 231.245 Unterzeichner (Stand: 30.1.2014) für eine Petition gegen eine ZDF-Sendung finden, repräsentieren sie annähernd 20 Millionen unzufriedene Zuschauer. Das sollte doch den ZDF-Oberen sehr zu denken geben, oder?“
(vgl. http://publikumsrat.de/2014/01/reaktionen-und-meinungen/#comments)

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler bemängelte im o.g. SPIEGEL-Interview „dass eine Online-Petition, die man einfach anklicken kann, so weit weg vom Kern der eigentlichen Diskussion führt.“
Diese und weitere Diskussionen um das Programm qualifiziert, kritisch und mit einer grundsätzlich positiven Haltung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu führen, sehen wir als Schwerpunkt unserer Initiative für die Etablierung eines Publikumsrats, eines konstruktiven Dialogs zwischen Anstalten und Publikum.

Für weitere Gespräche stehen wir gerne zur Verfügung.
Dr. Christine Horz, Frankfurt
Dr. Sabine Schiffer, Erlangen

10. Februar 2014 von admin
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Radio Mephisto: Interview mit Uwe Krüger

Dr. Uwe Krüger, Universität Leipzig, im Gespräch mit dem Leipziger Radio Mephisto zu Chancen und Problemen bei der Einrichtung eines Publikumsrates: Staatsfern und kritisch?

06. Februar 2014 von admin
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Der Publikumsrat in Österreich – ein Interview mit Dr. Hans Högl

Interview mit Dr. Hans Högl, Wien 30.01.2014

Sehr  geehrter  Herr  Dr.  Högl,  wir  freuen  uns  über  Ihre  Bereitschaft  zu  diesem Gespräch  über  den  Österreichischen  Publikumsrat.  Könnten  Sie  sich  bitte  kurz vorstellen!

Ich bedanke mich für die freundliche Einladung. Ich bin Medien- und Bildungssoziologe, lehrte  als  Prof.  an  einer  österr.  Hochschule  und  bin  im  Vorstand  der  Vereinigung  für Medienkultur.  Dies ist ein offener, unabhängiger Kreis, der sich für inhaltliche und stilistische Qualität in elektronischen und Printmedien einsetzt.

Herr Dr. Högl, Sie haben sich darum bemüht, in den Österreichischen Publikumsrat aufgenommen zu werden. Warum? Was war ihre Motivation?

Achtung: In Österreich gibt es zwei ORF-Gremien: den Stiftungs- und den Publikumsrat. Der ORF-Stiftungsrat ist die eigentliche öffentliche Kontrollinstanz und entscheidet über die wirtschaftlichen und großen Fragen und die Bestellung von Spitzenpositionen.

Der  ORF-Publikumsrat  soll  die  Interessen  der  Seher  und  Hörer/innen  des  ORF  in Programm-Fragen  vertreten. Darum kandidierte ich bei der Wahl zum Publikumsrat.

Wie funktioniert das, dass man im Publikumsrat aktiv werden kann? Gibt es eine Wahl?

Das Hauptanliegen des  Publikumsrates ist hervorragend, aber die Umsetzung leidet an „gefährlicher Grippe“.

Von  den  36  Publikumsräten werden nur sechs (6) österreichweit von den ORF-Gebührenzahlern gewählt. Die übrigen 30 kommen aus Interessensverbänden.  Ich zähle einige auf: Gewerkschaft, Wirtschaftskammer, Konsumentenschutz, Universität, Schulen, Tourismuswirtschaft, Autofahrerclubs, Familienverbände, Kirchen. Diese sollen die Vielfalt der Bereiche Österreichs repräsentieren.

Das  heißt,  der  österreichische  Publikumsrat  ist  eine  Mischung  aus  dem,  was  in Deutschland  Rundfunkrat  (Körperschaftsvertretung)  ist  und  dem  was  wir  uns  als Publikumsrat wünschen, nämlich eine Vertretung direkt aus dem Publikum. Woraus besteht denn dann der Stiftungsrat?

Im  ORF-  Publikumsrat  sind  Körperschaften  und  Interessensgruppen  vertreten  und  die öffentlich gewählten Publikumsräte.

Nun  zum  wichtigen  Stiftungsrat.  Nebenbei:  Der  ORF  ist  eine  österreichische  „Stiftung“! Daher der Name. Hier sind – mit Ausnahme eines Kirchenvertreters – die Körperschaften nicht  explizit  Mitglieder.  Es  dominieren  explizite  Parteien-Vertreter.  Und deren Gruppen nennen sich „Freundeskreise“. Die Anzahl der Parteienvertreter ist proportional mit  der  Aufteilung  der  Sitze  im  Parlament.  Ferner  sind  im  Stiftungsrat  einige  ORF-Betriebsräte und ein paar der Publikumsräte.

Und wie kandidiert man als echte Publikumsvertretung für den Publikumsrat? Wer hat zum Beispiel Sie nominiert?

Die Wahl  zum  Publikumsrat  wurde  im bundesstaatlichen Amtsblatt  der „Wiener  Zeitung“ vom Bundeskanzleramt (Medienstaatssekretariat) ausgeschrieben. Es konnten sich bisher 6 Personen mit ihren Vereinen (NGOs) als Kandidaten melden.

Ich kandidierte  als  Präsident  für  die  unabhängige  Vereinigung  für  Medienkultur  und  ich wurde Kandidat für den Bereich Bildung, andere für Konsumentenschutz, wieder andere für  den  Bereich  Eltern.  Es  gibt  insgesamt  6  Bereiche.  Keiner  der  unabhängigen Kandidaten  (auch  nicht  jener  des  Umweltdachverbandes)  erreichte  genügend  Stimmen, um  endgültig  als  Publikumsrat  gewählt  zu  werden.  Das  hängt  direkt  mit  dem Wahlverfahren zusammen.

Wie geht die Wahl zum Publikumsrat vor sich?

Die bisherige Wahlmethode war so:  Wählen konnte jeweils eine Person pro Haushalt, der Rundfunk-Gebühren zahlt. Gewählt wurde per Fax. Dies wurde sehr kritisiert. Nun,  die  politischen  Parteien  stellten  ebenfalls  6  Kandidaten  auf.  Dies  waren  Vertreter parteinaher  Organisationen,  deren  finanzielle  Potenz  und  die  vorhandenen  Faxgeräte  in den Parteisekretariaten nicht zu unterschätzen sind.

So  kam  es,  dass  kein  unabhängiger  Kandidat  gewählt  wurde.  Zum  Zug  kamen ausschließlich  Parteienvertreter.  Gegen  die  Faxwahl  wurde  im  Nachhinein  wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes mit Erfolg beim Verwaltungsgerichtshof Einspruch erhoben.  Und so darf eine  Fax-Wahl 2014 nicht mehr stattfinden.
Wir  –  www.medienkultur.at  –  schlugen    schon  vor  Jahren  eine  geheime  österreichweite Briefwahl vor (ähnlich der Briefwahl als Ersatzform bei der Wahl der Parlamentarier).

Welche Handlungsmöglichkeiten hat der Publikumsrat in Österreich?
Der Publikumsrat  kann  Programm-Wünsche äußern und hat nur eine ORF-beratende Funktion.  Er befasst sich im Kern mit Programm-Vorschlägen und Beschwerden  und hat ein  Einspruchsrecht,  wenn  die  Rundfunkgebühren  festgelegt  werden.  Die  rechtlichen Kompetenzen des Publikumsrates sind sehr gering.

Es  gibt  auch  diverse  vorbereitende,  nicht  öffentliche  Ausschüsse.  Z.B.  der  Präsidial-Ausschuss  bereitet  die  Tagesordnung  vor.  Der  Beschwerde-Ausschuss  tritt  etwa zweimonatlich  vor  der  Plenarsitzung  zusammen,  aber  der  Termin  des  Beschwerde-Ausschusses ist nicht öffentlich bekannt. Eine Bringschuld des ORF! Die  Folgen  sind  meist  monatelange  Verzögerung  der  wenigen  von  außen  kommenden Anliegen/Beschwerden.  Dass  innerhalb  von  zwei  Monaten  drei  Beschwerden  eines  8-Millionen-Volkes eingehen – das ist eher die Regel als die Ausnahme.
Der  Publikumsrat  trifft  sich  etwa  fünf  Mal  im  Jahr  mit  der  ORF-Leitung  (!)  im  ORF-Hauptgebäude in Wien (übrigens in der Schweiz ist es ein neutraler Ort: in einem Hotel!).

Halten Sie einen neutralen Ort für sinnvoller? Warum? Und wissen Sie mehr über das Funktionieren des Rates in der Schweiz?

Die  Antwort  muss  ein  wenig  ausholen:  Die  Betreuung  der  Webseite  des  ORF-Publikumsrates  und  die  wenigen  Mitteilungen,  die  man  fast  detektivisch  suchen  muss, betreut ein winziges ORF- Team. Es sind zwei oder nur eine einzige Angestellte des ORF. Der  ORF  organisiert  also  weitgehend  die  Abläufe  des  Publikumsrates.  Zur  reellen
Effizienz  des  Publikumsrates  trägt  er  wenig  bei.  Was  da  an  Ergebnis  in  Jahren „herauskommt“, ist beschämend.

Und  die  öffentlichen  Erwartungen  versus  Publikumsrat  sind  minimal.  Auch  die  bei  den Plenarsitzungen  anwesenden  Journalisten  üben  sehr  selten  wirklich  fundamentale  Kritik an  den  allzu  zivilisierten Abläufen  –  in Anwesenheit  des  Herrn  Generaldirektors  und  der mächtigen Abteilungsvorstände und der Fernsehdirektorin.
Der ORF ist der gastgebende Hausherr der Sitzungen. Der ORT: Ein repräsentativer Sitz auf dem „Küniglberg“ in einer sehr guten Wiener Wohngegend. Zweifellos ist der ORF ein gewichtiges Machtzentrum Österreichs.

Und manchmal bekommen Publikumsräte Gelegenheit, z.B. medizinische Sendungen zu gestalten  oder  genießen Stiftungsräte  den  einen  oder  anderen  Vorteil.  Es  müsste  eine klare Trennung der zuständigen Rundfunk-Kontrolleure und der Kontrollierten geben. Dies ist nicht immer der Fall.

Darum  finde  ich  die  Schweizer  Variante,  die  Treffen  an  einem  neutralen  Ort anzuberaumen, wesentlich besser. Dabei muss auch nicht je die Management-Spitze des Rundfunks  anwesend  sein.  Jedenfalls  sind  die  Vertreter  des  öffentlich-rechtlichen Rundfunks die Kontrollierten und nicht die Kontrolleure.

Sind Sie mit den Ergebnissen des Publikumsrats in Osterreich denn zufrieden?

Nein,  kaum:  Die  Struktur  und  Umsetzung  hat  große  Schwachpunkte.  Der  österr. Publikumsrat ist in der Tat  zahnlos und wenig effektiv. Es dauert viele Monate bis gute Vorschläge von der ORF-Leitung aufgegriffen werden. Wenn überhaupt. Das Konstrukt als Ganzes wäre nach niederländischem oder Schweizer Muster zu ändern.

Wo sehen Sie Schwächen oder Verbesserungspotenzial?

Der ORF hat eine aktive Abteilung für Public Value und  einen Kundenservice mit vielen Eingaben und Beschwerden. Davon ist aber jetzt nicht die Rede, sondern vom Gremium des ORF-Publikumsrates.

Die kostspielige Wahl zum Publikumsrat ist schein-demokratisch. Nur 6 Publikumsräte von 36  werden  gewählt.  Die  30  vom  Bundeskanzler  bestimmten  Vertreter  der Interessensgruppen sind honorige Personen, die aber meist beruflich so ausgelastet sind, dass  sie  wenig  Zeit  zum  Fernsehen  usw.  haben,  und  sie  verfolgen  nicht  selten  eher Parteieninteressen als allgemeine  Publikumsanliegen.

Es  sollten  aber  solche  Personen  im  Publikumsrat  sein,  die  sich  viel  mit  Medien auseinandersetzen,  gemeint  ist  ein  breit  gestreuter  Personenkreis  aus  dem  Volk.  Die Funktionsdauer sollte wohl auch nicht länger als drei Perioden sein.

Kandidaten  für  den  Publikumsrat  müssten  sich  im  Fernsehen  wirklich  ausreichend präsentieren und ihre Medienkompetenz darstellen. Davon kann im ORF nicht die Rede sein. Ein Halbsekundenspot dafür reicht wirklich nicht.
Der ORF ist sehr unwillig, ja träge, die Termine für öffentliche Plenarsitzungen mitzuteilen.

Darum ist die Anzahl von Publikumswünschen an den Publikumsrat minimal. Ein weiterer Nachteil: Die Sitzungen sind nur in Wien,  nicht regional gestreut.

Die  Plenarsitzungen  dauern  3-4  Stunden.  Drei  Viertel  dieser  Zeit  nützt  der  ORF  für Selbstpräsentation.

Haben Sie konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsmöglichkeiten und zur Demokratisierung?

Die  Leser  und  Freunde  aus  Deutschland  mögen  wissen:  Unsere  doch  sehr  kritische Darlegung geschah besten Wissens und Gewissens. Wir als Vereinigung für Medienkultur vgl. www.medienkultur.at/Projekte haben ein 8-seitiges konstruktives Konzept zur höheren Effizienz  des  Publikumsrates  vorgelegt  –  sowohl  im  Bundeskanzleramt  (beim
Medienstaatssekretär) als auch bei ORF-Verantwortlichen. Und zwar insgesamt vier Mal in den letzten Jahren mündlich und schriftlich. Dieses Konzept mit Details können wir – bei Interesse – gerne zusenden.

Ja bitte, wir schauen es uns gerne an und prüfen, was davon für eine strukturelle Veränderung  in  der  deutschen  Rundfunklandschaft  interessant  sein  könnte.

Vielleicht  haben  Sie  ja  die  von  uns  angestoßene  Debatte  in  Deutschland  verfolgt, über  die  Möglichkeit  einen  Publikumsrat  für  die  öffentlich-rechtlichen  Rundfunkanstalten  einzurichten.  Was  halten  Sie  angesichts  Ihrer  Erfahrungen  in  Österreich davon?

Gegenstand der Diskussion sollten Sinn und Zweck der Rundfunkanstalten sein. Gremien von Publikumsräten müssten in den verschiedenen deutschen Bundesländern sein und in den  Bundesländern  an  verschiedenen  Orten  tagen.  Themen  der  Erörterung  sollten weniger Einzelsendungen, sondern  Sendeleisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein.

In der Schweiz gibt es für Publikumsanliegen (Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und  Fernsehen  =  UBI)  ein  mehrstufiges  Verfahren.  Es  müssen  Vorschläge  eingereicht werden, diese werden gesichtet,  und die Sprecher von Publikumswünschen müssen auch in  einer  nochmaligen Anhörung  und  Diskussion  stehen.  Damit  scheiden  Leute  aus,  die irgendetwas unüberlegt kritisieren.

Es  könnten  und  sollten  auch  Anliegen  über  social  media  verbreitet  und  darüber abgestimmt werden.

Ein  andere  Variante:  Den  Publikumswünschen  würde  halbjährlich  dadurch  Rechnung getragen,  indem  sich  geeignete  Personen  des  Rundfunks  –  direkt  im  Fernsehen Publikumsfragen stellen.

Was  würden  Sie  uns  darüber  hinaus  als  Ratschlag  mit  auf  den  Gestaltungsweg geben?

Ich  gratuliere  zu  Ihren  großen  Bemühungen.  Sicherlich:  Das  Publikum  weiss,  wie  „Brot schmeckt“,  aber  die  Bäckereien  für  Sendungen  sind  weiterhin  die  Rundfunk-Anstalten. Darum  kann  nicht  alles  vom  Publikum  Eins  zu  Eins  übernommen  werden.  Aber  deren Stimme sollte nicht nach Quoten gemessen, sondern auch deren Argumente gehört und erwogen werden.

Nebenbei:  Ich  bin  mit  Herr  Ludolf  Baucke  in  Kontakt  (www.dasganzewerk.de).  die Reformideen  zum  NDR  einbrachten.  Eine  andere  Initiative  betraf  den  Westdeutschen Rundfunk (www.die-radioretter.de).

Das nehmen wir uns gerne zu Herzen.
Vielen Dank für das interessante Gespräch und Ihre hilfreichen Anregungen!

03. Februar 2014 von admin
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Reaktionen und Meinungen

Manoute

Gute Sache! Es wird wirklich Zeit das es so einen Rat gibt: der jurnalistische Qualität wieder über Quote hebt. Doch es wird wohl ein starkes Stück ihn vorbei an Parteiklüngelei zu implementieren.. Nur Mut!


auf Wunsch der Einsendenden anonymisiert

Ich möchte Ihnen danken, dass Sie diesen Weg gehen. Aus meiner Sicht ist es dringend erforderlich, ein Zeichen zu setzen, damit in den öffentlich-rechtlichen Programmen mehr Respekt vor dem Interviewpartner (vor)gelebt wird, auch vor einem Andersdenkenden. Subtile Gemeinheiten, wie sie von Markus Lanz schon von Anbeginn wichtiger Part seiner Talk-Art sind, rufen förmlich danach, dass Grenzen aufgezeigt werden. Bei Harald Schmidt weiß man, dass da ein Zyniker intelligente Hiebe austeilt, bei einem Talker mit freundlichem Gesicht (und aufgeblähtem Ego) muss man Anstand und Respekt erwarten dürfen. Vielen Dank also nochmals für Ihre Initiative!


Dr. Uwe Krüger, Universität Leipzig

Markus Lanz hat mit seiner Kindergarten-Inquisition von Sahra Wagenknecht eine schlechte Figur gemacht, doch es geht nicht um seine Person. Es geht um die Strukturen und Interessen hinter Lanz. Lanz hat lediglich – und zwar offensichtlich unter großer innerer Anspannung – als Ideologiewächter fungiert und den Eliten-Konsens in Sachen Europa gegen die Herausforderin verteidigt. Das Problem liegt also tiefer, nämlich in der Konformität der Anstalten mit dem Meinungsmainstream, der sich am Konsens der Eliten orientiert.
Ein staatsferner und kritischer Publikumsrat mit konkreten Einflussmöglichkeiten könnte hier ein Korrektiv bilden und die Rundfunkanstalten kontinuierlich mit den Ansichten und Interessen von Nicht-Eliten konfrontieren – die die Anstalten ja schließlich auch repräsentieren sollen.


Alfred Becker, Berlin

Es zeugt schon von einer mächtigen Arroganz sowohl von Lanz als auch vom ZDF (Berliner Zeitung 25.01. Seite 31, rechts), die berechtigten Kritiken der Zuschauer und Gebührenzahler mit billigen Zurechtweisungen ab zu tun. Die Programme von ARD und ZDF sind langweilig, viele Wiederholungen, Kochsendungen, irgendwelche langweiligen Gesprächsrunden, die nur einen befriedigen – den Fernsehmoderator, der sich in der Regel als Väterchen „Allwissend“ aufführt. Das man von der Politik auch noch so vergewaltigt wird und diesem Unsinn (Zwangsabgabe!) nichts entgegensetzen kann, kann kein Ausdruck von Demokratie sein.


Roland Kahl

Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde Ihre Zielsetzung notwendig und gut. Meine kürzlich aufgesetzte Petition geht in die gleiche Richtung die Sie verfolgen. Siehe: https://www.openpetition.de/petition/online/mehr-sachlichkeit-im-journalismus-schlechtes-beispiel-hans-ulrich-joerges Es würde mich sehr freuen, wenn wir uns gegenseitig unterstützen, gerne werde ich Ihren Link in meinem Netzwerk teilen, weiterleiten und verbreiten. Ich glaube ebenfalls dass in letzter Zeit bei vielen Leuten ein „Es reicht“ Zustand erreicht worden ist, wie man in der Lanz-Sache deutlich sieht. Einstweilen verbleibe ich mit herzlichen Grüßen und wünsche Ihnen viel Erfolg (den ich gerne in Form von Kommunikation unterstütze).


auf Wunsch des Einsendenden anonymisiert

Ich möchte sehr viel weniger Krimis, Thriller und Horror im TV-Programm. Mehr informationen über die wirklichen Abläufe unseres Weltgeschehens, mehr Hintergrundwissen derselbigen und das in einer Zeit, wo man normalerweise noch nicht schlafen geht! Derzeit schaue ich überwiegend das Programm von Arte, Phönix, und 3 Sat.


Philipp Anz

Will mitwirken an einer informativen, niveauvollen, aber auch hin und wieder, locken Unterhaltung im Programm von ARD und ZDF! – Aber auch mehr Demokratie wagen! – Der Intendant muss direkt durch sie Zuschauer gewählt werden, ebenso der Programm-Chef! – Ebenso, müssen teure Investitionen wie Sportrechte, per Plebiszit vergeben werden! –

29. Januar 2014 von admin
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Warum ein Publikumsrat nötig ist

Pressemitteilung, 27.01.2014

Die Petition gegen das Gebaren von Markus Lanz hat binnen kürzester Zeit eine beachtliche Anzahl an Unterschriften erbracht. Die Kampagne ist Ausdruck einer allgemeinen Unzufriedenheit des Publikums mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die sich mittels der Initiative nun Bahn bricht. Nur selten erhalten Zuschauerreaktionen auf einzelne Sendungen vergleichbare Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

Wir halten deshalb die Einrichtung eines Publikumsrats für notwendig, wie ihn auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender in Österreich und der Schweiz seit langem betreiben.

Er sollte Zuschauern und Zuschauerinnen kontinuierlich und nachhaltig die Möglichkeit bieten, mit den Rundfunkanstalten in Dialog zu treten. Wie dieser Publikumsrat genau gestaltet und grundgesetzkonform implementiert werden kann, wie er besetzt und mit welchen Befugnissen er ausgestattet sein müsste, und viele weitere Fragen, sollten in einer öffentlichen Debatte geklärt werden.

Mit unserem Vorschlag möchten wir diese Debatte über Demokratie und Mediendemokratie anstoßen sowie Informationen zum Thema sammeln, auswerten und auf unserer Homepage zur Verfügung stellen.

Wir freuen uns über jegliche Unterstützung für die Realisierung des Projektes. Ab sofort können Sie Ihre Vorschläge über das Kontaktformular der z.T. noch im Aufbau befindlichen Website www.publikumsrat.de posten. Wir freuen uns auf rege Beteiligung!

Freundliche Grüße

Dr. Christine Horz, Frankfurt

Dr. Sabine Schiffer, (IMV) Erlangen/Berlin

Für Rückmeldungen:

Mail: info[at]publikumsrat[punkt]de

Pressemitteilung als pdf

27. Januar 2014 von admin
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Für einen Publikumsrat

Dr. Christine Horz, Frankfurt/Erfurt und Dr. Sabine Schiffer Erlangen/Berlin schlagen eine Initiative zur Implementierung eines Publikumsrats bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vor:

Für einen Publikumsrat

Auch wenn die GEZ als Gebühreninstitution abgeschafft ist, so bleibt es die Pflicht aller Bürger, die öffentlich-rechtlichen Medien finanziell zu tragen. Dies ermöglicht eine vergleichsweise unabhängige Berichterstattung von Wirtschafts- und Werbeinteressen – im Idealfall.

Allerdings beschweren sich viele Bürger zu Recht, dass Programminhalte ausgedünnt werden – zuletzt wurde die Sendezeit für politische Dokumentationen verringert zugunsten von Unterhaltungsformaten. Auch kritisieren Zuschauer/innen, dass sie sich im Rundfunkrat nicht vertreten fühlen. Durch unsere Rundfunkbeiträge gehen wir als Bürger und Bürgerinnen nicht nur als Zuhörer- und Zuschauer/-innen, eine Beziehung mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten ein, sondern begreifen uns auch als stakeholder (engl. Anspruchsträger, Interessengruppe).

Als solche haben Zuhörer/innen und Zuschauer/innen als diejenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk finanzieren, ein berechtigtes Interesse daran, wie sich dieser als Institution und Programmanbieter entwickelt, und fordern dementsprechend ein Mitspracherecht. Derzeit hat das Publikum in Deutschland jedoch keine Möglichkeit, das Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mitzugestalten, was sich auch in der schwindenden Akzeptanz der Rundfunkbeiträge widerspiegelt. Trotz ca. 7,5 Milliarden Euro an Rundfunkbeiträgen haben es die Rundfunkanstalten bislang versäumt, die Beitragszahler bei weitreichenden Entscheidungen wie der Wahl des Intendanten, Haushaltsplänen, aber auch grundsätzlichen Reform- und Strukturfragen oder zumindest dem Programm mitbestimmen zu lassen.

Derzeit ist für die Vertretung im Rundfunkrat der Körperschaftsstatus erforderlich, womit viele zivilgesellschaftliche Organisationen und engagierte Einzelne ausgeschlossen bleiben. Die Sitze in Gremien wie Verwaltungs- und Rundfunk- bzw. Fernsehrat sind häufig nicht für Vertreter/innen der Allgemeinheit reserviert, sondern werden von Politiker/innen besetzt. So sind von insgesamt 77 Mitgliedern des ZDF-Fernsehrats 38 Berufspolitiker/innen, über 2/3 der Mitglieder in sechs Rundfunkräten sind Männer, nur knapp 2% haben einen Migrationshintergrund – der gesellschaftlichen Realität wird also nur ungenügend Rechnung getragen.

Eine unabhängige, sachliche und konstruktive Auseinandersetzung der gesamten Öffentlichkeit mit dem Thema und der Frage, wie die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zukünftig verlaufen soll, ist erforderlich. Zuschauer/innen möchten nicht nur Beschwerden vorbringen, sondern auch ihre Vorstellungen, Anregungen und Lob. Sie möchten informiert werden und mit den öffentlich-rechtlichen Sendern in einen gleichberechtigten Dialog treten. Die Rundfunkanstalten könnten von der Nähe zum Publikum, den Vorschlägen und der Kritik der Zuschauer/innen profitieren.

Deshalb schlagen wir die Installation eines Publikumsrats vor!

Wir verstehen den Rat als unabhängige Interessenvertretung und Mittlerin zwischen Publikum und Rundfunkanstalten und möchten zu diesem Zweck eine Online-Plattform zur Verfügung stellen (www.publikumsrat.de). In der momentanen Planungsphase orientieren wird uns an entsprechenden Institutionen, die als solche mit je eigenen Zielsetzungen u.a. in der Schweiz, Österreich, Großbritannien und den Niederlanden verankert sind. Zur Etablierung des Rates könnten wir deren Beispiel folgen, andererseits aus den Problemen, die sich dort aus der Zusammensetzung des Gremiums ergeben haben, lernen und diese vermeiden. Ein Publikumsrat, in welchem Zuschauer/innen u.a. ihre Meinung zum Programm vorbringen könnten, wird als ein Baustein in einem Gesamtkonzept betrachtet. Ein Publikumsrat könnte sich auch für den Erhalt der audio-visuellen Archive einsetzen, die im Moment aufgrund der Sparvorgaben der Sendeanstalten von der Abwicklung bedroht sind.


Die Initiative „Publikumsrat“ wird von Kommunikations- und Medienwissenschaftler/innen unterstützt und kann folglich die notwendige Fachkenntnis und Neutralität gewährleisten. Von anderen monothematischen Stimmen wie „zahlungsstreik.net“ unterscheidet sich der Publikumsrat darin, dass er den Boykott der Rundfunkbeiträge nicht als Lösung der Problematiken begreift, sondern den Dialog mit allen Beteiligten sucht. Schließlich hat ein öffentlich-rechtliches Rundfunksystem größere Beteiligungspotentiale als kommerzieller Rundfunk.

Wir freuen uns über Spenden auf das Konto Nr. 60022970, BLZ 76350000, Kontoinhaber IMV, Verwendungszweck „Publikumsrat“.
Mailen Sie uns Ihre Adresse an info[at]medienverantwortung[punkt]de für eine Spendenbescheinigung.

05. November 2013 von admin
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