Interview: Sabine Schiffer zur Zwangsvollstreckung von Rundfunkbeitragsservice
Dr. Christine Horz und Dr. Sabine Schiffer haben vor nunmehr fünf Jahren die Publikumsratsinitiative gemeinsam gegründet. Nun hat Sabine Schiffer eine Zwangsvollstreckung von der Rundfunkbeitragszentrale erhalten. Was ist geschehen?
Horz: Sabine, was ist da los? Wir sind doch für den Rundfunkbeitrag als Möglichkeit, einen unabhängigen Journalismus nachhaltig zu finanzieren – also idealtypisch zumindest. Wir setzen uns ja für eine Verbesserung der Standards ein. Und Du erhälst nun Post vom Gerichtsvollzieher als Beitragsverweigerin?
Schiffer: Ich zahle den neuen Rundfunkbeitrag seit seiner Einführung im Januar 2013 lückenlos. Trotzdem wurde mir ein Vollstreckungsbescheid von der Beitragszentrale selbst zugestellt. Nach einem Urteil vom Landgericht Nürnberg-Fürth vom 26.08.2014 und dem Bundesgerichtshof vom 11.06.2015 und 8.10.2015 ist der Beitragsservice des Bayrischen Rundfunks quasi eine autonome Vollstreckungsbehörde.
Horz: Du meinst, die veranlassen das Amtsgericht in Erlangen eine Forderung zu vollstrecken, deren Berechtigung gar nicht vom Gericht überprüft wurde? Aber, sie können doch keine nicht gezahlten Beiträge erfinden.
Schiffer: In gewisser Weise schon. Es handelt sich dabei um einen Betrag aus GEZ-Zeiten, wo ich jahrelang verzweifelt versuchte einen Vertreter der GEZ zu mir einzuladen, weil ich privat keinen Fernseher hatte und nach wie vor nicht habe.
Horz: Das spielt ja nun seit 2013 keine Rolle mehr.
Schiffer: Richtig. Ich musste aber Anfang 2013 selbst den Betrag ermitteln und einen Dauerauftrag einrichten, weil ich keine Zahlungsaufforderung erhalten hatte. Jetzt wird offensichtlich versucht, die alte und die neue Forderung zu vermischen.
Horz: Wie kam es denn zu dem offen stehenden Betrag?
Schiffer: Nachdem die GEZ meine Mitteilungen gänzlich ignorierte zog ich 2011 meine Einzugsermächtigung zurück. Da nach wie vor niemand vorbei kam, um die Tatsache zu überprüfen, dass ich nur Radiohörerin war, forderte man dort die Gebühren fleißig weiter. Bis Ende 2012 ist ein Betrag von ca. 200,- € zusammen gekommen. Und das ist der Betrag den man heute immer noch fordert, mit ein paar Gebühren Aufschlag.
Horz: Wie bitte? Es geht seit sechs Jahren um 200,- €?
Schiffer: Ja, und ich habe dazu inzwischen einen Ordner voller sinnloser Post gesammelt.
Horz: Wieso? Ließ sich das denn nicht klären und ad acta legen?
Schiffer: Man hat offensichtlich kein Interesse. Circa ab der Mitte des Ordners – also seit 3 Jahren – antworte ich nicht mehr, inzwischen lese ich die Post auch nicht mehr. Die Zermürbungstaktik ist wohl aufgegangen. Es kam immer wieder die gleiche Post, egal was ich erklärte. Ich habe auch bereits eine Anzeige wegen Belästigung erwogen.
Horz: Ist das nicht ein bisschen übertrieben?
Schiffer: Es scheint da irgendwelche vorgefertigten Schreibformate zu geben. Auf meine Erläuterungen, warum ich ganz sicher keine SEPA-Erklärung erteilen würde, erhielt ich beispielsweise als Antwort einen Brief, der mit den völlig aus der Luft gegriffenen Worten begann: „Wir hatten Ratenzahlung vereinbart…“ Vergleichbares habe ich inzwischen von einigen anderen Fällen gehört und auch selbst recherchiert.
Horz: Klingt fast schon nach Satire, Monty Phyton oder Kabarett…Oder Loriot: da redet man doch immer so herrlich aneinander vorbei, oder?
Schiffer: Ja, zumal ich auch darauf verwies, dass es mir fernläge den Beitrag nicht zu zahlen, schließlich stütze ich als Medienwissenschaftlerin und mit der Publikumsratsinitiative die Idee öffentlich-rechtlicher Medien. Ich habe inzwischen Zweifel, dass da echte Menschen sitzen, die das lesen – vielleicht ist das alles Ausdruck einer maschinellen Kommunikation.
Horz: Und jetzt? Aus so einer Vollstreckungsmaschine kommt man doch nicht wieder heraus. Wäre es nicht besser, Du zahlst den doch überschaubaren Beitrag einfach – auch wenn er ungerechtfertigt ist?
Schiffer: Mich stört nicht nur, dass er ungerechtfertigt ist – nach meinen Recherchen zu dem Thema, habe ich Zweifel, dass der Fall damit abgeschlossen wird. Im Gegenteil. Es gibt die kuriosesten Fälle.
Horz: Allerdings wird die Geldeintreibepraxis ja auch schon kritisch diskutiert.
Schiffer: Ja, die Gerichtsvollzieher oder Finanzämter – je nachdem, wer als Vollstreckungsbehörde auserkoren wird – sind teilweise schon total genervt. Sie bearbeiten viele nichtigen Fälle, wo es sogar regelmäßige Vollstreckungsersuche gibt, obwohl die Person jeweils ihren Dauerauftrag nachweisen kann. Es entstehen teilweise Rituale, die Zeit und Geld kosten – ein totaler volkswirtschaftlicher Blödsinn. So wie auch bei mir, denn die Belege kann ich natürlich beibringen. Aber dass man bei der Gelegenheit versucht, eine Vermögensauskunft von mir zu erhalten, hat schon eine besonders dreiste Komponente.
Horz: Was heißt das jetzt für uns, die Publikumsratsinitiative?
Schiffer: Wie immer in der Wissenschaft: Differenziertheit! Wir wissen, dass im internationalen Medienvergleich ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk etwas Wertvolles ist. Wir wissen aber auch, dass da einiges nicht funktioniert und weder die Rundfunkstaatsverträge noch die bestehenden Kontrollgremien das System ausreichend absichern, damit der Funktionsauftrag vollumfänglich erfüllt wird. Damit sind wir ja angetreten. Das System zu verbessern, statt es abzuschaffen – weil Medien als Unternehmen erst recht nicht einem öffentlichen Auftrag verpflichtet sind. Dabei sollten wir bleiben.
Horz: Aber wenn die Geldeintreibepraxis so dermaßen entgleist– dann läuft doch da ganz gehörig etwas schief, oder?
Schiffer: Ja, ich denke, wir sollten uns neben den inhaltlichen Fragestellungen, die uns zunächst umtrieben und unseren Forderungskatalog in der „Erlanger Erklärung“ begründeten, durchaus auch mit dem Finanzgebaren der Anstalten und der Praxis des Beitragsservice befassen. Ohne Gerechtigkeit kann man für kein System werben. Da hätten wir dann auch ein Glaubwürdigkeitsproblem.
Horz: Vermutlich wird man erst erkennen, dass wir eine konstruktive Initiative im Sinne eines Erhalts bzw. einer Verbesserung des Medienoutputs sind, wenn es den vielen Gegnern gelungen ist, diesen abzuschaffen.
Schiffer: Tja, dann können wir auch nicht mehr helfen. Dass man sich mit seinem Publikum verbünden muss, statt es zu verprellen, haben Sie bisher nicht verstanden – das haben jedenfalls einige Blogger besser drauf.
Horz: Dann wünsche ich Dir viel Glück in Deiner Sache und sehe unser Interview auch als Appell an die Verantwortlichen, hier nachzubessern! Es wäre sicher gut für mehr Transparenz und Dialog zu sorgen.
Schiffer: Danke! Ich sehe da in Sachen Nachweis und Einstellung des Verfahrens kein Problem. Aber dass die Beschäftigungstherapie mitsamt der Papier- und Portoverschwendung und der Einbindung von Beamten, die eigentlich besseres zu tun hätten, endet, da sehe ich nur die Möglichkeit der Herstellung von Öffentlichkeit. Und wenn diese merkwürdigen Methoden nicht korrigiert werden, dann wird auch der Gegenwind aus den Behörden wachsen.