Jugendkanal

Ende November 2012 gaben ARD und ZDF bekannt, dass sie einen gemeinsamen Jugendsender gründen wollen. „Ziel sei es, so die ARD, dass EinsPlus und einer der drei ZDF-Digitalkanäle zu einem gemeinsamen ARD/ZDF-Jugendkanal für die 14- bis 29-Jährigen fusionieren. Am ehesten wird man da wohl an ZDFneo denken, jenes Programm, das sich in den vergangenen Jahren anschickte, jung rüberzukommen – was aufgrund von Erfolgsformaten wie ‚neoParadise‘ auch weitestgehend gelang.“

Was spricht für einen Jugendkanal?

Sowohl ARD als auch das ZDF haben bereits erste Anstrengungen in Sachen „Verjüngung“ unternommen. Allerdings sind die jungen Formate entweder wie im Falle der ARD bei den Dritten Programmen zu finden oder wie im Fall des ZDF hauptsächlich auf den Digitalkanal ZDFneo ausgelagert. Die technische Infrastruktur, die zur Aufnahme eines neuen Senders nötig wäre, ist sowohl bei ARD als auch beim ZDF gegeben. Die ARD hat neun Landesanstalten, die auch einen möglichen neuen Jugendsender sowohl mit Inhalten als auch mit Personal unterstützen können. Durch den neuen Rundfunkbeitrag, den jeder Haushalt seit Januar 2013 zahlen muss, stehen dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk stabile finanzielle Mittel zur Verfügung. Demnach muss jeder Haushalt 17,98€ bezahlen, egal ob er den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzt oder nicht. So hatten 2012 das ZDF 1.813 Millionen Euro, der WDR 1.116 Millionen Euro und der SWR 970 Millionen Euro zur freien Verfügung. Dies gibt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine gewisse Planungssicherheit, auch bei der Entwicklung neuer Konzepte oder neuer Sender. Die Vorteile eines Jugendsenders für ARD und ZDF liegen auf der Hand. Der gemeinsam von ARD und ZDF betreute Kinderkanal KiKa „bietet Programm für Kinder im Alter von drei bis 13 Jahre.“ Die direkte Konkurrenz zum Kinderkanal, der Marktführer unter den Kinderprogrammen, SuperRTL, bietet ebenfalls sein Programm nur für drei bis 13-Jährige an. Das Durchschnittsalter bei ARD, den Dritten Programmen der ARD und dem ZDF liegt um die 60 Jahre (Stand: März 2011), mit steigender Tendenz. Ein Jugendsender mit der Zielgruppe der 14-29-Jährigen bildet somit das Bindeglied zwischen dem Kinderkanal und den „erwachsenen“ Programmen. Zum anderen würde sich ein solcher Jugendsender auch von den privaten Fernsehsendern abgrenzen, die ein derartiges Angebot nicht im Programm vorgesehen haben.

Was spricht gegen den geplanten Jugendkanal?

Eine große Schwäche liegt darin, dass sich mit ARD und ZDF zwei stark föderal geprägte Fernsehsender am Jugendsender beteiligen wollen. In einem Interview mit dem Medienmagazin ZAPP des NDR erklärte Diemut Röther, Leitende Redakteurin bei „epd Medien“: „Bisher kann ich keine Strategie erkennen bei der ARD. Man hat viel darüber diskutiert und dann hat man aber in meinen Augen wenig gemacht. […] Also, ich glaube natürlich, ein Problem liegt schon auch ein bisschen an der föderalen Struktur der ARD, dass man sich offenbar auch oft nicht grün ist.“ Auch Ruth Hieronymi, ehemalige Vorsitzende der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz, sagt im gleichen Interview: „Ich habe gelernt, dass die föderale Anstalt ARD, eben sich schwer tut mit schnellen zentralisierten Entscheidungsprozessen. Das liegt aber in der Struktur der ARD. Und insofern muss man das Ergebnis, was jetzt erreicht ist, und die Zeit, die dafür ins Land gegangen ist, an diesen strukturellen Schwierigkeiten auch messen.“

In den eigenen Reihen mehrt sich Widerspruch. Der Gründungsintendant des Deutschlandradios und ehemalige „heute-journal“-Moderator Ernst Elitz findet in seinem Artikel in der Frankfurter Rundschau ebenfalls klare Worte: „In den Digitalkanälen mischt sich der Moderator, vornehmlich die Moderatorin, mit der Wackelkamera unter die Menschen, freut sich mit ihnen, ist begeistert, berührt. Fernsehen lebt, ist entspannt und authentisch. ARD und ZDF haben von dieser Frischluftkur kaum profitiert. Innovativen Projekte wie das Politmagazin „Bambule“ (ZDFneo), „Kulturpalast“ (ZDFkultur) oder „in.puncto“ (ARD Plus) blieb die Übernahme in die Hauptprogrammen verwehrt. […] Im Grunde weiß jeder: Sechs Digitalkanäle, die kaum einer guckt, weil sie zu 80 Prozent nur Wiederholungen abspulen, sind rausgeschmissenes Geld. Es stimmt, wenn die [Anm. ehemalige] ARD-Vorsitzende Monika Piel verkündet, für einen eigenen Jugendkanal habe die ARD nicht genügend Gebührengeld. Aber es stimmt nur, weil die beiden großen Systeme sich nicht dazu durchringen können, alles, was im Sammelsurium ihrer Digitalkanäle ein junges Publikum ansprechen könnte, auf einem Kanal zu bündeln. Nur ein von ARD und ZDF gemeinsam verantwortetes Jugendprogramm kann Profil gewinnen und Publikum binden. Stoff gibt es genug – trotz Gebührengejammer. Doch dazu braucht man Mumm und nicht versammelte Mutlosigkeit.“ Als Schwäche ist auch die Abstimmung zwischen ARD und ZDF zu werten, die nur schleppend voran geht. In Bezug auf den Jugendsender konnten sich die Sender und die Politik noch nicht einmal auf einen Starttermin einigen. So sagte Volker Herres, Programmchef der ARD, in einem „Zeit“-Interview: „Wir sind etwas ungeduldiger als Herr Bellut, der mit dem Kanal erst 2017 starten möchte. Die ARD würde das gerne früher starten.“

Doch auch der Zuschauer selbst könnte für den geplanten Jugendsender eine Bedrohung darstellen. Sowohl in sozialen Netzwerken als auch prinzipiell gibt es immer wieder Forderungen die GEZ-Gebühr oder gleich das komplette öffentlich-rechtliche Angebot abzuschaffen. Außerdem tragen widersprüchliche Aussagen von ARD und ZDF zum Protest von Zuschauern bei. So schloss die damalige WDR-Intendantin Monika Piel 2011 noch aus, dass es jemals zu einem Jugendkanal kommen würde: „‘Die Jugend ist so heterogen, sie interessiert sich für Angebote, die mit dem öffentlich-rechtlichen Profil kaum zusammenzubringen sind.‘ (3.1.2011) […] Doch inzwischen fühlt sich Monika Piel missverstanden. Ihr Zitat von damals sei doch nicht so gemeint: ‚Das muss aus einem anderen Zusammenhang sein. Ich vermute mal, dass ich gesagt habe, es gibt bestimmte Formate, die erfolgreich sind im kommerziellen Fernsehen, die wir so bei uns im ‚Ersten‘ nicht haben können und auch nicht haben wollen.‘“Im Dezember 2012 gab das ZDF bekannt, dass bis 2016 75 Millionen Euro eingespart werden sollen, indem man unter anderem auch den Digitalkanal ZDFkultur einstellt. In einer Pressemitteilung vom 08.03.2013 fordert Intendant Bellut 50 bis 60 Millionen Euro um einen Jugend­kanal zu realisieren. „‘Will man mit dem Angebot einen messbaren und nachhaltigen Erfolg erreichen, werden nach unseren Schätzungen noch deutlich mehr Mittel erforderlich‘, sagte der Intendant.“ Warum man den neuen Jugendkanal nicht aus eigener Kraft stemmen kann, indem man die Einsparungen in den neuen Kanal investiert, erklärt Bellut nicht. Zusätzlich muss man sich auch die Frage stellen, ob über­haupt die Nachfrage von Seiten der jüngeren Zuschauer nach einem Jugendsender besteht. Wäre dies geklärt, könnte man einen Sender direkt auf die Wünsche der Zuschauer abstimmen und dies beispielsweise durch Fragebögen, Online-Befragungen oder Umfragen an den Schulen erreichen. Zudem sind die meisten Inhalte, die von der Zielgruppe konsumiert werden, meistens auf Internet-Video­portalen wie Youtube kostenlos anzusehen und zu kommentieren und somit ein direkter Konkurrent zum klassischen Fernsehen. Der junge Zuschauer kann sich sein Programm selbst zusammenstellen während das Fernsehprogramm statisch bleibt.

Letztlich kann es auch am Gesetzgeber scheitern, denn dieser muss dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk einen Auftrag für die Errichtung eines Jugendsenders erteilen, was bisher noch nicht geschehen ist. Der ZDF-Intendant stellte klare Forderungen an die Politik: „Das ZDF könne sich jedoch nur dann an einem solchen Projekt beteiligen, wenn folgende Rahmenbedingungen durch den Rundfunkgesetzgeber geschaffen oder fest zugesagt seien: eine klare Beauftragung durch die Bundes­länder, eine ausreichende Finanzausstattung, zusätzliches Personal und eine Öffnung des Telemedienangebots unter anderem mit dem Wegfall der 7-Tage-Regelung und der Möglichkeit, auch Kaufserien und Spielfilme in der Mediathek zeigen zu können.“Wenn die Länder keinen Anlass für die Errichtung eines Jugend­senders sehen, sind den Öffentlich-Rechtlichen die Hände gebunden.

Mögliche Alternativen

Es wäre möglich, einen Jugendkanal als reines Internetangebot zu starten. Dies bietet folgende Vorteile: Die elektronische Infrastruktur (Websites, Mediatheken) sind bereits vorhanden und die neuen Programme müssen dadurch nur in das bestehende System eingepflegt werden, was Kosten spart, weil dafür kein neuer Sendeplatz samt Personal geschaffen werden muss. Von den Öffentlich-Rechtlichen wird mehr Mut in der Programmgestaltung gefordert. Mit einem reinen Internetfernsehen wären die Sender flexibel. Was nicht geklickt wird, kann ruhigen Gewissens  eingestellt werden. Was bei den Zuschauern ankommt, wird weiterproduziert. Das wiederum zwingt Produzenten wie Film- und Fernsehmacher neue kreative Konzepte zu entwickeln, die den Zuschauer langfristig fesseln. Während die Fernsehquote eine gewisse Fehlerrate hat, sind die Klickzahlen ein eindeutiger Gradmesser für die Popularität eines Formats, der auch für den Zuschauer transparent und nachvollziehbar ist.  Der Interaktion zwischen Sender und Zuschauer wird dadurch gesteigert. Allerdings müssten für ein reines Internetangebot der öffentlich-rechtlichen Sender die Staatsverträge von der Politik geändert werden.

Es lohnt sich dabei auch einmal ins Ausland zu schauen: Kürzlich wurde bekannt, dass der britischen Jugend-Sender BBC Three ab Herbst 2015 nur noch online abrufbar sein wird. Dies soll Kosten von 100 Millionen Pfund einsparen.

In der Sitzung vom 13.03.2014 wurde das Thema abermals auf Oktober 2014 vertagt. Mehrere Ländervertretungen haben ihren Widerstand angekündigt bzw. fordern ein besseres Konzept von ARD und ZDF. Björn Böhning, Chef der Berliner Staatskanzlei, geht davon aus, dass es einen Jugendkanal nicht geben werde. Er fordert, es sollten mehr jugendrelevante Themen ins bisherigen Hauptprogramm integriert werden anstatt einen eigenen Kanal dafür zu schaffen. Die meisten anderen Ländervertretungen stehen aber hinter dem crossmedialen Konzept von ARD und ZDF aus linearem Fernsehen, Radio und Internetangeboten.

Aktueller Stand

Am 29. September 2016 wurde der Jugendkanal, der nun den Namen funk trägt, im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Der offizielle Start des reinen Online-Portals begann am 1. Oktober 2016 mit 40 verschiedenen Formaten. Ab 2017 bekommt funk jährlich 45 Millionen Euro aus den Rundfunkbeiträgen.

Quelle: Youtube/funk

 

(Redaktionelle Mitarbeit: Franziska Tretter)

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