#ZDFheutejournal spielt Fremdenfeinden in die Hände
Guter Journalismus solle sich nicht mit einer Sache gemein machen, sagte einmal der Journalist Hans-Joachim Friedrichs. Davon hat das ZDF offenbar noch nichts gehört. Das ZDF-heute journal vom 6.1.2016 beginnt mit dem Aufmacher „Folgen der Sylvesternacht“, der erneut auf die Vorfälle von Köln eingeht. Der Moderator Klaus Kleber verknüpft gleich im ersten Satz auf subtile Weise die mutmaßlichen Täter mit Flüchtlingen, in dem er fragt, ob nur die „Willkommenskultur oder die Polizei“ versagt habe. Kleber zitiert „übereinstimmende“ Feststellungen der Opfer, dass es sich um „nordafrikanische Täter, meist der deutschen Sprache nicht mächtig“ handele.
In dem folgenden Stück von Dorte Ferber widerspricht dann der Bundesinnenminister de Maiziere, der einräumt, dass die Behörden „noch kein klares Lagebild von Köln, was die Täterschaft angeht“ haben. Der Beitrag schließt mit dem Satz: „Heute gibt es erstmal mehr Fragen als Antworten“. Und was tut Klaus Kleber? Nach diesen „spektakulären Straftaten“ würden Forderungen nach der vollen Härte des Gesetzes laut und dieses Mal stünden Flüchtlinge im Visier – „jedenfalls Ausländer, die Gastrecht genießen in Deutschland“. Wie bitte? Das Asylrecht ist kein Gastrecht, sondern ein Grundrecht und ist als solches im Grundgesetz verankert. Kleber zitiert dann die Meinung „vieler“ (die rechten Hetzer im Netz? Oder doch nur die CSU?) : „Wer dermaßen gegen Recht und Ordnung der Gastgeber verstößt, solle nicht bleiben dürfen.“ Doch nach Lage der Gesetze sei das nicht so einfach.
Im folgenden Einspieler von Sarah Tacke und Joachim Pohl dann zum Mitschreiben ein eingeblendetes, verschriftlichtes Zitat des CSU-Vorsitzenden Andreas Scheuer (min. 4:28): „Wenn Asylbewerber oder Flüchtlinge solche Übergriffe begehen, ist das ein eklatanter Missbrauch des Gastrechts und kann nur ein sofortiges Ende des Aufenthalts in Deutschland zur Folge haben“. Statt diese Aussagen zu prüfen und zu hinterfragen (Flüchtlinge stehen gar nicht als Täter fest, Gastrecht: siehe oben), erfährt der Zuschauer wie lange es dauert, bis man (endlich?) einen Asylbewerben abschieben kann – trotzdem schaffe man es oft nicht, „die Person zurückzuüberstellen“, wie eine Anwältin weiß. Auch durch weitere Interviews wird er Eindruck erweckt, als seien deutsche Gesetze zu lax oder würden nicht umgesetzt. Und dann wird zusammengeführt, was bislang eher subtil vermittelt wurde, als die Autorin im Beitrag von den „Tätern der Kölner Sylvesternacht“ sprich, die man „also nicht ohne weiteres abschieben kann“.
Doch das war noch nicht alles. Klaus Kleber nimmt das Thema Flüchtlinge als Überleitung zur CSU Klausur in Wildbad Kreuth auf und wiederholt noch einmal die Forderungen Seehofers zur Zuzugsbegrenzung etc. Anschließend Kampf gegen Islamisten im Ausland und Anschläge auf Charlie Hebdo.
Schon an dieser Stelle der Sendung wird deutlich, was in der Medien- und Kommunikationswissenschaft als „Sinn-Induktion“ bezeichnet wird. Sabine Schiffer erläutert in einem Video ausführlich, um was es dabei geht, nämlich einen gemeinsamen Bezug einzelner Themen anzunehmen, die zusammen präsentiert werden: Flüchtlinge-Straftäter-Vergewaltiger-Islamisten. Da in der Medienberichterstattung nichts zufällig passiert, Medien also ein Produkt von Selektionsprozessen sind, muss angenommen werden, dass die Sinn-Induktion auch in diesem Fall Teil einer Medienstrategie ist.
Nach einem Bericht über Nord-Korea dann wieder Kritik an der Flüchtlingspolitik von Merkel – dieses Mal aus dem Mund von FDP und AfD, laut Kleber die einzigen Parteien, die gegen Merkel opponieren würden (CSU – schon vergessen?). Dann ein O-Ton von Christian Linder (FDP) – Merkels Flüchtlingspolitik habe „Europa ins Chaos gestürzt“ (ach – nicht die Finanzkrise? Oder rechtsradikale Parteien, die in 17 EU Ländern mitregieren?). Dann wiederholt auch die Autorin dieses Einspielers, dass die „Übergriffe in der Sylvesternacht durch Ausländer“ verübt waren – obwohl doch selbst de Maiziere keine Erkenntnisse zu den Tätern hat.
Und dann zum Abschluss noch einen O-Ton von Markus Frohnmeier (Afd): „Wir haben ja jetzt in Köln gesehen, wohin diese ungesteuerte Zuwanderung, die als Asylpolitik verkauft wird, mittlerweile führt. Überall da, wo die Allparteien keine Lösung mehr anbieten, hat die AfD eine Antwort.“
Verantwortungsloser geht Journalismus kaum. Hier hat das ZDF als öffentlich-rechtliche Fernsehanstalt deutlich gegen medienethische und eigene Programmgrundsätze verstoßen, was als Anlass für eine Beschwerde an den Fernsehrat ausreicht. Das ZDF hat schließlich den Auftrag zum interkulturellen Zusammenleben beizutragen und objektiv zu berichten und wird dafür mit Rundfunkbeiträgen finanziert.
Übrigens: zum Vergleich seien die ARD-tagesthemen vom 6.1.2016 empfohlen, die in diesem Fall deutlich objektiver berichteten.
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