#ÜbergriffeKöln: Was geschah dort und wie berichten Medien?
In den vergangenen Tagen überschlugen sich Meldungen zu sexuellen Übergriffen in der Sylvesternacht in Köln und anderswo. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien springen auf die bislang kaum geklärten Vorkommnisse auf. Das ZDF plant für heute abend ein ZDF-Spezial zum Thema. Und die Tagesschau titelt „Frauen überfallen – was bisher bekannt ist“. Falls die sexuellen Übergriffe so stattgefunden haben sind sie selbstverständlich scharf zu verurteilen und eine Straftat, egal wo die Täter herkommen. Doch bekannt ist erstmal nicht viel – außer einer Pressemeldung der Polizei Köln, in der von „nordafrikanisch Aussehenden bis zu 20“ Tatverdächtigen die Rede ist und einigen Interviews mit dem Vorsitzenden der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt. Als dieser plötzlich von 1000 Verdächtigen nordafrikanischen Urspungs spricht, gewinnt das Thema an Fahrt. Die Medien übernehmen freimütig die kulturelle Zuschreibung der „nordafrikanisch Aussehenden“, obwohl dies Ziffer 10 und 12.1 des Pressekodex widerspricht. Auf die Domplatte passen zudem insgesamt kaum mehr als 1000 Menschen und eine Augenzeugin, die an Sylvester vor Ort war, berichtet etwas ganz anderes.
Die Erfahrung mit der NSU-Mordserie lehrt, dass sowohl die Zahlen als auch die religiös-kulturelle Zuschreibung der Tatverdächtigen erst einmal zu überprüfen wäre. Die Argumentation Wendts, dass man „solche Übergriffe aus dem Ausland wie etwa vom ägyptischen Tahrir-Platz“, kenne erinnert doch stark an die SOKO „Bosporus„, die seinerzeit die NSU-Morde „weit außerhalb des westlichen Kulturkreises“ verortete. Sexuelle Straftaten werden also nur von Muslimen bzw. Nordafrikanern verübt?! Vielleicht sollte sich Wendt die eigenen Statistiken der Polizei zu sexuellen Straftaten hierzulande genauer ansehen.
Die nächste Eskalationsstufe – die Verknüpfung der vermeintlichen Täter mit den Flüchtlingen – die der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft Rainer Wendt in den Medien suggeriert, sollte wirklich stutzig machen. Rainer Wendt publiziert u.a. in rechtsnationalen Presseorganen wie der Jungen Freiheit und fordert dort den Rücktritt von Politikern, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Dem islamfeindlichen Compact Magazin gab er ein Interview. Auch im Focus warnte er seit Monaten vor einer Bandenbildung der Flüchtlinge – die er nun mit Blick auf Köln gleich selbst bestätigt. Und in der Gewerkschaftszeitung der Polizei bewirbt der rechtgerichtete Kopp-Verlag ganzseitig antimuslimische Publikationen, z.B. von Udo Ulfkotte.
Die politischen Reflexe bleiben nicht aus. Julia Klöckner (CDU) “ sprach sich in der FAZ dafür aus, „natürlich“ die Herkunft der mutmaßlichen Tatverdächtigen zu nennen, die nach Zeugenaussagen aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum stammen sollen. „ Wenn in dieser massiven Form Übergriffe organisiert worden sind und es wohl evident ist, dass diese Übergriffe von mutmaßlichen Tätern eines bestimmten Kulturkreises verübt wurden, dann gehört das dazu.“ „Wohl evident“? „Mutmaßliche Täter“? Das hört sich nicht nach beweiskräftigen Tatsachen an.
Dann dürfen wir also gespannt sein, ob die öffentlich-rechtlichen Medien heute abend ihrem Auftrag der Aufklärung gerecht werden und die vermeintlichen Offensichtlichkeiten auf ihren Wahrheitsgehalt hin abklopfen.