#koelnhbf: Journalismus nach Köln und konservative Rückschlüsse

Die Berichterstattung zu den Übergriffen in Köln war von vielen Zuspitzungen und Falschmeldungen begleitet. Der Journalist und Autor der Studie „Wir sind das Publikum“, Fritz Wolf, zeichnet in einem epd-Beitrag nach, dass die Vorwürfe, öffentlich-rechtliche Medien hätten zu spät berichtet, sehr gut in den rechstpopulistischen Propagandabaukasten passen. Konservative Journalisten nutzten die Vorkomnisse, um dadurch die „Lügenpresse“-Formel in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. So wird das Publikum sturmreif geschossen, Gesetzesverschärfungen als selbstverständlich zu akzeptieren oder stillschweigend zu ertragen.

„Kurz: neben dem politischen hat sich ein mediales Schlachtfeld aufgetan, auf dem nicht wenige jetzt ihr Süppchen kochen. Manchmal endet das im blanken Schwachsinn: „Egal, wer die Täter von Köln waren – mutmaßlich sind sie gefangen in Sexualnot und den Fesseln einer Kultur, die Frauen entweder als heilige Mütter oder als schleierlose Schlampen betrachtet“ schreibt die „Berliner Zeitung“ in einer Unterzeile. Alles egal, Hauptsache steil. Von anderen wiederum werden die Ereignisse ins Überdimensionale aufgeblasen. Von „Zivilisationsbruch“ redet der Justizminister (ein Begriff, der bisher für die Nazi-Verbrechen verwendet wurde), von „Paukenschlag“ die Kanzlerin. Alles Donnerworte, die in die Verschärfung der Gesetzgebung hineintreiben und man weiß gar nicht, wer hier wen treibt, die Politik die Medien oder die Medien die Politik.“

Die Behauptung, es sei alles so nie dagewesen, ist dabei Teil der medialen Skandalisierung:

„Nächste Mutmaßung: Es folgt, obwohl doch alles angeblich so ganz anders und nie dagewesen ist, alles ziemlich genau den medial eingespielten Routinen. Alle spielen ihre Rollen. Dazu gehört auch die schnelle Skandalisierung und Zuspitzung, die wir freilich wieder eher in den gedruckten Medien finden und da längst nicht mehr nur auf dem Boulevard.“

Auch Stefan Niggemeier im medienkritischen Magazin ÜberMedien versucht einige steile Thesen und Behauptungen zurechtzurücken. Statt einer vermeintlichen „Schweigespirale“ der Medien, die durch Köln aufgedeckt worden wäre, geht er von einer „Brüllspirale“ aus. Seit Jahr und Tag, so weist er nach, haben die Medien über kriminelle Ausländer berichtet. Von einem Verschweigen keine Spur, im Gegenteil: Sarrazins Buch, das 2010 im SPIEGEL in Auszügen vorabgedruckt wurde, belegt eindrücklich, dass dabei mitunter auch kräftig gelogen, verzerrt und erfunden wird, wie die Berliner Professorin Naika Foroutan anlaysiert.

Das kritische Publikum ist also gefragt, nüchtern zu bleiben. Nur dann lassen sich derartige kampagnenartig aufgeblasene Zuspitzungen als das entlarven, was sie sind: der Versuch, die Gesellschaft zu verunsichern und zu spalten.

 

09. Februar 2016 von Christine Horz
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