#Auslandsberichterstattung und #Flucht

ARD und ZDF verfügen über ein Korrespondennetz, das zu den dichtesten der Welt gehört. Die ARD alleine unterhält laut Selbstbeschreibung 26 Korrespondentenbüros, die über den Globus verteilt sind. Fernsehzuschauer in Deutschland konnten zwar gestern abend bei Anne Will die gefühlt hundertste Talkshow zum Thema Flüchtlinge sehen (übrigens: im Gegensatz zu null Talkthemas zu den über 1000 Angriffen auf Asylbewerber und ihrer Heime im vergangenen Jahr). Doch über die Fluchtursachen erfährt das Publikum derzeit so gut wie nichts mehr. Die  Lage in Syrien und anderen teilen des Nahen Ostens ist teils unübersichtlich, doch deshalb einfach kaum mehr zu berichten ist fatal. Denn der Fokus der Berichterstattung richtet sich derzeit überproportional auf die Flüchtlinge, die sogenannten Schlepper und die deutsche und EU-Innenpolitik – die außenpolitischen Gründe für die vielen Flüchtlinge treten mehr und mehr in den Hintergrund. Ein weiteres Problem scheint derzeit zu sein, dass Medien kaum noch kritisch Stellung beziehen, aus Angst vor weiteren Vorwürfen, sie würden eine bestimmte Linie vertreten – ohne die Vorwürfe selbst als das zu entlarven, was sie sind: Unwissenheit über die Funktionsweise der Medien. Denn diese bilden nie Wahrheit ab. Auch ist es ein Irrglaube, Medien müssten immer neutral berichten. Wenn das stimmen würde, gäbe es die Rubriken Kommentar, Meinung und Kolumne nicht.

Auslandsberichterstattung ist zwischen der faktischen Berichterstattung und dem Kommentar angesiedelt. Schließlich muss der Korrespondent seine (hoffentlich umfassend, mit Kenntnis der Landessprache und – kultur gewonnene) Einschätzung liefern, denn er ist (sollte) vor Ort (sein).

Worüber könnten die Auslandskorrespondenten also berichten, um über die Fluchtursachen aufzuklären? Es wäre zum Beispiel wichtig zu erfahren (auch in den Hauptnachrichten), wer in Syrien wen bombardiert und welche Interessen jeweils damit verbunden sind. Zu wenig beleuchtet werden auch die Diskrepanzen zwischen deutscher und europäischer Politik. Warum betrachtet die Bundesregierung  beispielsweise Saudi Arabien als Partner und liefert dem Land weiterhin Waffen, obwohl das EU-Parlament aufgrund vermuteter Kriegsverbrechen durch Saudi Arabien im Jemen ein Waffenembargo beschlossen hat?

Die ARD & ZDF Auslandsberichterstattung sollte hier deutlicher und kritischer darauf eingehen, inwieweit die Konflikte im Nahen Osten mit deutscher und europäischer Politik verwoben sind. Auch wenn es angesichts des momentanten Krisensmodus eigenartig klingen mag: die grundsätzliche Krisenfixierung der Auslandsberichterstattung trägt nicht dazu bei, die Funktionsweise der Gesellschaften in den Berichtsgebieten zu verstehen. Hier sind mehr Hintergrundberichte wünschenswert, die das gesellschaftliche Leben abbilden. Es kann ein Beitrag zur Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien sein, in dem sie sich in ihrer Auslandsberichterstattung unabhängiger von der politischen Großwetterlage präsentieren.

07. März 2016 von Christine Horz
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