#TerrorIhrUrteil: Militainement in der #ARD

Die ARD rief am heutigen Abend in einem fiktiven Gerichtsprozess die Zuschauer/innen auf, das Urteil zu fällen. In dem Fall, der auf einem Theaterstück von Ferdinand von Schirach beruht, wurde einem Bundeswehrsoldaten vorgeworfen, eine von Terroristen entführte Passagiermaschine abgeschossen zu haben, um dadurch eine größere Menschenmenge zu retten, die sonst von der abstürzenden Maschine getötet worden wären. Der Soldat stand zu seiner Entscheidung. Nun hatte das Gericht und die „Schöffen“ (das Publikum am second screen) darüber zu abzustimmen, ob sie die Entscheidung, die Menschen in der Passagiermaschine zu töten um das Leben anderer zu retten, rechtmäßig sei.

Die Zuschauer/innen votierten zu über 86% für den Freispruch. Auf Twitter fand begleitend eine rege Diskussion statt.

In der anschließenden Debatte in „Hart aber Fair“ machte Gerhart Baum, ehemaliger Bundesinnenminister (FDP), deutlich, warum das Theaterstück im Theater bleiben sollte. Im Kern zielte sein Argument darauf, dass das Massenpublikum des Fernsehen in einem sehr komplexen Fall entscheiden sollte, der ein breites Vorwissen voraussetzt.  Baum, der gegen das Luftsicherheitsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hatte und Recht bekam – argumentiert, dass der Staat sich nicht über das Grundgesetz stellen darf.  Im Fall einer Flugzeugentführung darf die Luftwaffe die entführte Maschine folglich nicht abschießen. Der Soldat wäre demnach wohl verurteilt worden. Die Zuschauer stimmten jedoch anders ab, denn im Fernsehen geht es auch um Emotionalisierung. Die juristischen Kenntnisse, die für ein ernsthafte Abwägung notwendig sind, werden in den Hintergrund gedrängt.

Ein Zuschauer stellte auf Twitter eine wichtige Frage: „Die entscheidende Frage ist doch, worauf will uns dieser ARD Medienabend vorbereiten?“ Wir versuchen einmal dies zu umreissen. Wir haben gelernt, „das wir im Krieg sind“, was ein Renegade-Fall ist und was eine Luft-Luft Rakete Iris ist, dass der Terror islamistisch ist (ausblendend, dass in Deutschland tausende von Menschen von Rechtsextremen verletzt und getötet werden), dass das Grundgesetz im Zweifel zur Disposition steht. Entertainement und Militarisierung wird zu Militainement.

Nachtrag: ad-hoc Abstimmung und spontane Meinungsäußerung ist schon im Internet möglich. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sollte vielmehr Themen und Debatten vertiefend behandeln, wie ein lesenswerter Kommentar in der BZ  verdeutlicht.

17. Oktober 2016 von Christine Horz
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