Nach Christchurch: Wo bleibt die selbstkritische Mediendebatte?

Bei den Terrorattacken auf zwei Moscheen in Christchurch/Neuseeland durch einen rechstmotivierten Islamhasser starben 50 Menschen. Es war eine furchtbare Erfahrung, nicht nur für die neuseeländische vielfältige Gesellschaft. Anders als in Deutschland nehmen die NeuseeländerInnen jedoch die rassistische und islamfeindliche Tat als Anlass zum Innehalten und Überdenken der eigenen Haltungen. Die Medien in Neuseeland haben eine selbstkritische Debatte darüber angestoßen,  wie im Vorfeld über Minderheiten und Muslime berichtet wurde.

Hierzulande vermissen wir jedoch diese selbstkritische Mediendebatte. Die eigenen, überwiegend negativen Berichterstattungsmuster zu Muslimen und dem Islam in klassischen und „sozialen“ Medien, auf welche die kommunikationswissenschaftliche Forschung seit Jahrzehnten hinweist, müssten einer kritischen Revision unterzogen werden.

Das Dilemma der Wirkungsforschung ist dabei, dass keine Kausalität zwischen Medienberichterstattung und Radikalisierung in der Bevölkerung festgestellt werden kann, einfach weil es zuviele Variablen gibt. Eine Korrelation ist aber beobachtbar, Wirkungspotenziale können benannt werden. Wir wissen aus der Agenda Setting Theorie und der Framing-Forschung, dass Medien zumindest Themen und Deutungsrahmen dessen mitgestalten worüber wir sprechen und nachdenken.
Wenn also Menschen zu 50% den Islam als bedrohlich wahrnehmen (Religionsmonitor 2015), aber gleichzeitig so gut wie kein Kontakt zu Muslimen besteht drängt sich die Frage auf, welche Rolle Politik und Medien spielen, die zu großen Teilen die öffentlich Debatte mitbestimmen.  Wenn also die Medienbilder über Muslime zu großen Teilen negativ sind, kann man durchaus von Wirkungspotenzialen auf Einstellungsmuster sprechen. Die Medien haben also einen Anteil am gesellschaftlichen Islamhass.

Bevor eine ähnlich Tat auch hierzulande geschieht, sollten Politik und Medien selbstkritisch reflektieren, wie hoch ihr Anteil an der gesellschaftlichen Islamfeindlichkeit ist. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Medien müssen endlich ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre Berichterstattungsmuster kritisch überdenken. Das friedliche Zusammenleben, die vielfältige Gesellschaft und ethische Leitlinien sollten im Programm deutlicher erfahrbar sein.

Aktualisierung: Mit ersten Ansätzen einer journalistischen Selbstkritik haben Julia Ley und Nadia Abdel Aziz heute in der taz begonnen.

25. März 2019 von Christine Horz
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